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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
Autoren: Stephen Fry
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Tabak, dessen Qualität der Exklusivität des Dorfladens von Uley entsprach. Meine Besessenheit von Oscar Wilde, Baron Corvo und der hinreißend verderblichen Welt der Dekadenz des späten 19. Jahrhunderts lief auf eine hochgestochene Vorliebe für exotische Marken hinaus. Sobranie Cocktails, Passing Cloud, Sweet Afton, Carroll’s Major, Fribourg & Treyer und Sullivan Powell Private Stock waren darunter die begehrenswertesten, besonders die letzteren beiden, die in ganz Norfolk bei einem einzigen Spezialhändler und ansonsten nur in ihren Londoner Stammhäusern am Haymarket und in der Burlington Arcade zu erstehen waren.
    Und nach London begab ich mich auch, als ich schließlich aus King’s Lynn davonlief. Die bedrohlich bevorstehenden Examen und die Wahrscheinlichkeit, durchzufallen, hatten sich mit der leidigen jugendlichen »Bildung brauch ich nicht«-Attitüde verbündet, und all das veranlasste mich, einen Schlussstrich zu ziehen und wegzulaufen. Wie Dr. Watson in der ersten Sherlock-Holmes-Geschichte fühlte ich mich zum Piccadilly gelockt, »jenem schlimmen Sumpf, in dem alle Nichtstuer und Müßiggänger so hilflos versinken«. Jetzt standen mir die Kreditkarten † einer anderen Person zur Verfügungund gestatteten den Genuss der exquisitesten Zigarettenmarken. Hoch zu Hocker an der American Bar des Ritz Hotel, nippte ich an Cocktails, paffte Sobranies und kam mir vor wie ein Mann von Welt. Irgendwann hatte ich die alten Kragen meines Großvaters aufgestöbert und zusammen mit dem hufeisenförmigen Lederetui, in dem sie aufbewahrt lagen, stibitzt. Ich war nicht nur ein Siebzehnjähriger, der wie eine Cuvée aus Wilde, Coward, Fitzgerald und Firbank wirken wollte, sondern ich war ein Siebzehnjähriger in einem Anzug à la Gatsby mit gestärktem Eckenkragen, der farbige Zigaretten durch eine Bernsteinspitze rauchte. Es ist kaum zu glauben, dass ich mir nie eine böse Tracht Prügel einfing.
    Dem Arrest entging ich jedoch nicht. Die Polizei erwischte mich in Swindon, und nach einer Nacht in der Zelle fand ich mich in einer Einrichtung für junge Missetäter wieder, die den liebenswert skurrilen Cotswold-Namen »Pucklechurch« trug.
    Tabak ist, wie man sehr wohl weiß, hinter Gittern eine geschätzte Währung. Relativer Frieden, Kontrolle und Stabilität werden hinter Gefängnismauern durch geregelte Arbeit sichergestellt, aber bei keinem Insassen würde man sich je darauf verlassen können, dass er seine Arbeit täte, wenn die Entlohnung für seine Fron nicht das einzige Mittel wäre, sich seinen Tabak, seinen Knaster, sein Kraut zu verschaffen. Derjenige mit dem meisten Tabak besitzt den höchsten Status, den größten Einfluss, genießt den meisten Respekt und erfreut sich des größten Wohlbehagens. Zu meiner Zeit war es unbestreitbar so, wenngleich es sich seither geändert haben mag.
    Sie mögen jetzt vielleicht denken, dass der wahrhaft smarte Knastbruder Nichtraucher gewesen sein müssteoder zumindest die Cleverness bewiesen hätte, das Rauchen aufzugeben. Aber so klug ist natürlich kaum jemand. Es gibt eine Menge höchst gewiefter Knastbrüder, aber nur sehr wenige erweisen sich in dieser Hinsicht als ausgefuchst. Man kann einen Strafgefangenen fast schon definieren als einen Menschen, dem gerade die Klugheit und Selbstkontrolle abgehen, die vonnöten sind, um aus einem kurzfristigen Ungemach einen langfristigen Vorteil zu schöpfen. Diese Unzulänglichkeit ist es, die ihn überhaupt erst zum Verbrechen hingezogen und dann bewirkt hat, sich darin so ungeschickt anzustellen, dass er bald geschnappt und eingesperrt wurde. Von einem Gefängnisinsassen zu erwarten, dass er zu rauchen aufhört, entspräche der Annahme, ein Leopard könne sein geflecktes Fell austauschen, zum Vegetarier werden und strickenlernen, und zwar innerhalb eines einzigen Tages.
    Ich war zum Kriminellen geboren, denn mir fehlte genau die Fähigkeit, einer Versuchung zu widerstehen oder eine Vergnügung auch nur um eine einzige Sekunde aufzuschieben. Welcher Wachhabende auch immer in den grauen Zellen und im Moralkostüm der Mehrheit Dienst schiebt, er hat sich in den Kasernen meines Kopfs vom Posten absentiert. Ich denke an jenen Wärter, der die Schranke zwischen Exzess und Fülle hütet, zwischen richtig und falsch. »Das waren jetzt genügend Sugar Puffs, noch eine Schüssel brauchen wir nicht«, würde er in den Köpfen meiner Freunde sagen oder: »Ein Schokoriegel ist mehr als genug.« Oder auch: »Mensch, sieh mal, da liegt
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