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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
Autoren: Stephen Fry
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Trotzanfälle und der Wahnsinn mitten in meinen Teenagerjahren schienen überstanden zu sein. Daheim in Norfolk konzentrierte ich mich auf akademische Aufgaben, erreichte erstklassige Abschlussnoten und verdiente mir ein Stipendium für das Englischstudium am Queens College in Cambridge. Mit der guten Nachricht, angenommen worden zu sein, ging aber das Problem einher, wie die Monate bis zum Beginn des ersten Trimesters verbracht werden sollten. Im Gegensatz zu den unerschrockenen und mit Armbändern aus Elefantenhaar bewehrten Abenteurerstudenten heutiger Zeit sowie den Ökokriegern, die ihr Zwischenjahr damit verbringen, den Inkapfad entlangzuwandern, Hilfsdienste bei Leprakranken in Bangladesch zu leisten oder sich tauchend, Ski laufend, surfend, Drachen fliegend und per Facebook in ausgebeulten Shorts auf der Suche nachSex durch die Welt treiben zu lassen, entschied ich mich für die bereits damals furchtbar altmodische Herausforderung, an einer Private School zu unterrichten. Ich habe immer geglaubt, zum Lehrer geboren zu sein, und die Welt der englischen Prep Schools mit ihrem Kodex und ihren Sitten war mir durch und durch vertraut. Vermutlich umso mehr Anlass für einen Menschen mit Stil, einen solchen Ort zu meiden und sich stattdessen neuen Welten und Herausforderungen zu stellen, aber bei mir waren Systole und Diastole der Verstoßung und der Zugehörigkeit, der Ablehnung und des Bedürfnisses, der Flucht und der Wiederkehr gut aufeinander abgestimmt. Ich verschmähe das England, das mich hervorgebracht hat, und widersetze mich ihm mit derselben Intensität, mit der ich es in die Arme schließe und verehre. Vielleicht bewog mich auch das Gefühl, es mir selbst zu schulden, die Mängel meiner Schulbildung auszugleichen, indem ich anderen zu Bildung verhalf. Hinzu kam das Beispiel, das zwei meiner literarischen Helden, Evelyn Waugh und W. H. Auden, abgaben, die ebenfalls diesen Weg gegangen waren. Waugh hatte dieser Erfahrung sogar den Stoff seines ersten Romans zu verdanken. Vielleicht würde es mir ja auch so ergehen.
    Ich hatte meinen Namen auf die Liste angehender Lehrer gesetzt, eine Liste, die, in schönster Schrift ausgefertigt, irgendwo im behaglichen Schneckenhaus der Büros von Gabbitas-Thring in der Sackville Street, Piccadilly, auf den Schreibtischen mit Rollverschluss, in einem Register mit Büttenrand oder in einem Eastfile-Aktenkarton aufbewahrt lag. Schon zwei Tage nachdem ich mich bei dieser auf schulische Vermittlungen spezialisierten Agentur hatte registrieren lassen, meldete sich oben bei mir in Norfolk eine dünne Piepsstimme:
    »Wir haben eine freie Stelle in einer prima Prep School in North Yorkshire. Cundall Manor. Latein, Griechisch, Französisch und hier und da ein wenig beim Rugby und Fußball den Schiedsrichter spielen. Dazu natürlich die ganz normalen Pflichten. Sagt Ihnen das zu?«
    »Meine Güte! Das hört sich großartig an. Muss ich zu einem Bewerbungsgespräch da rauf?«
    »Na ja, wie das Glück es will, lebt der Vater von Jeremy Valentine, Cundalls Rektor, ganz in der Nähe von Ihnen in Norfolk. Er wird Sie empfangen.«
    Mr Valentine in seiner Strickjacke war freundlich und sehr interessiert an meiner Sachkenntnis, was Cricket betraf. Er füllte mein Sherryglas bis an den Rand mit Amontillado und räumte zwar ein, dass der junge Botham unbestreitbar gut werfen konnte, Linie und Länge der Würfe aber so unbeständig seien, dass ein technisch versierter Schlagmann damit keine Probleme hätte. Von Latein und Griechisch war keine Rede. Gott sei Dank auch nicht von Rugby oder Fußball.
    »›Queens‹ hatte zu meiner Zeit eine recht annehmbare Cuppers-Mannschaft. Oliver Popplewell war der Wicket Keeper. Erstklassig.«
    Ich verzichtete auf den Hinweis, dass derselbe Oliver Popplewell, ein Freund der Familie und inzwischen angesehener Queen’s Counsel, sich noch vor ein paar Monaten in seiner Robe und mit Perücke auf dem Kopf erhoben hatte, um bei einer gerichtlichen Anhörung in Swindon zu meiner Verteidigung das Wort zu ergreifen. † Für diese Erwähnung schien es nicht der richtige Zeitpunkt zu sein.
    Valentine senior erhob sich und schüttelte mir die Hand.
    »Ich nehme an, man will Sie so bald wie möglichsehen«, sagte er. »Sie können in Peterborough den Schnellzug nach York nehmen.«
    »Ich bin also … Sie haben …«
    »Aber ja doch, um Himmels willen. Genau der richtige Bursche, den Jeremy begeistert in sein Kollegium aufnehmen wird.«
     
    Ich erwischte den Zug
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