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02 - Die ungleichen Schwestern

02 - Die ungleichen Schwestern

Titel: 02 - Die ungleichen Schwestern
Autoren: Marion Chesney
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Auftritten, die ihm Stunden zu dauern
schienen, während derer die Clarges Street Nr. 67 von den Tritten fremder Füße,
angefangen von den Detektiven der Bow Street bis hin zum letzten Reporter der
Hauptstadt, unter denen auch eine Frau war, die für die Spalte
»Inlandsberichte« in The Ladys Magazine schrieb und deren
Wohlerzogenheit ganz fehl am Platze wirkte, widerhallte, gelang es Lord
Tregarthan, dafür zu sorgen, dass jemand Jane beim Zubettgehen half und er mit
Mrs. Hart sprechen konnte.
    Mrs.
Hart blickte den gutaussehenden Beau mit deutlichem Missfallen an. Als sie nach
Hause zurückkam, waren seine Bemerkungen darüber, dass sie ihre jüngere Tochter
vernachlässigt hatte, recht sarkastisch gewesen, um es milde auszudrücken. »Es
ist jetzt zwei Uhr morgens, Mylord«, sagte sie frostig. »Ich möchte Sie nur
darauf hinweisen. Ich bin nicht aus Eisen, wie Sie wissen. Meine arme Euphemia
ist völlig am Ende.«
    »Die
arme Euphemia hat lange nicht soviel Grund sich aufzuregen wie Jane«, bemerkte
er kalt. »Ihr Leben war nicht in Gefahr.«
    »Aber
sie ist viel sensibler«, entgegnete Mrs. Hart scharf. »Und wann darf ich meinen
Gatten zurückerwarten?«
    »Er hat
sich entschlossen, nicht zurückzukommen, Madam. Er ist wieder zur Navy gegangen
und wartet in Dover auf sein Schiff. Er brennt darauf, seinem Vaterland zu
dienen. Bei Gott, Madam, Captain Hart ist ein Held, und sein Land kann sich
glücklich preisen, dass es ihn hat.«
    Mrs.
Hart drückte einen Hauch von Taschentuch an die Lippen. »Er kommt nicht zurück.
Aber er muss! Ich habe bereits die Einladungen zu einer Gesellschaft zu seinen
Ehren verschickt.«
    Lord
Tregarthan schaute sie erbittert an. Ihre Tochter wäre beinahe ermordet worden,
den Mörder hatte man mit gebrochenem Genick in ihrer Halle gefunden, und alles,
woran sie denken konnte, war ihre verdammte Party.
    »Bevor
ich mich von Captain Hart getrennt habe«, sagte er, »habe ich ihm gesagt, dass
ich Ihre Tochter heiraten möchte, und seine Einwilligung erhalten.«
    »Aber
doch nicht etwa Jane?«
    »Natürlich
Jane.«
    Mrs.
Hart musterte ihn von oben bis unten. Auf einmal haßte sie diesen schönen Lord,
der ihren Mann dazu bewogen hatte, sie zu verlassen, der ihr den
gesellschaftlichen Triumph ihrer geplanten Abendgesellschaft verdorben hatte,
der es gewagt hatte, an ihr Kritik zu üben, weil sie Jane angeblich schlecht
behandelt hatte. Ein Schimmer von Bosheit trat in ihre farblosen Augen. »Jane
ist zu jung, um zu wissen, was sie will«, sagte Mrs. Hart.
    Lord
Tregarthan schaute sie außer sich vor Zorn an. »Heißt das, dass Sie mir Ihre
Erlaubnis verweigern?«
    »Ja«,
entgegnete Mrs. Hart. »Ja, in der Tat. Und da Captain Hart es vorzieht, sich wie
ein unnatürlicher Ehegatte und Vater zu benehmen, indem er durch Abwesenheit
glänzt, hat er kein Mitspracherecht mehr in dieser Angelegenheit.«
    »Sie
sind hier unnatürlich, nicht er«, tobte Lord Tregarthan.
    Mrs.
Hart fühlte ganz leichte, unbehagliche Gewissensbisse. Lord Tregarthan war eine
gute Partie. Es war dumm,  sein Angebot auszuschlagen. Aber man konnte ihn ein biss
chen zappeln lassen. Er musste dafür bestraft werden, dass er all diese bösen
Dinge gesagt hatte.
    »Wie
ich Ihnen schon gesagt habe«, fuhr sie in trügerisch mildem Tonfall fort, »ist
Jane noch sehr jung. Vielleicht wenn Sie bereit sind, ein paar Jahre zu warten
... ?«
    »Guten
Abend, Madam«, sagte Lord Tregarthan mit tiefstem Widerwillen in der Stimme.
    »Aber
...« Mrs. Hart merkte, dass sie zu weit gegangen war, und erhob sich halb von
ihrem Sitz, doch Lord Tregarthan ging bereits mit langen Schritten aus dem
Zimmer.
    Er ging
wütend die Clarges Street hinunter und war entschlossen, Jane am nächsten
Morgen aufzusuchen, um zu überlegen, was sie tun könnten. Mr. Hart hatte seine
Erlaubnis gegeben, allerdings nicht schriftlich. Vielleicht war es notwendig,
nach Dover zurückzufahren und Mr. Hart zu bitten, seine Fahrt zu verschieben
und nach London zu kommen, um die Hochzeit seiner Tochter zu ermöglichen. Aber
er war wieder bei der Royal Navy, und es war sehr unwahrscheinlich, dass er die
Erlaubnis bekommen würde.
    Lord
Tregarthan hörte das leichte Getrappel von Füßen hinter sich und drehte sich
blitzschnell um, den Stock parat, falls es sich um einen Straßenräuber
handelte. Aber das trübe Licht der Straßenlaterne beschien die Gesichtszüge von
Rainbird.
    »Mylord«,
sagte Rainbird, »wann kommt Captain Hart zurück?«
    »Er
kommt gar nicht
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