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0197 - Mörder im Chinesenviertel

0197 - Mörder im Chinesenviertel

Titel: 0197 - Mörder im Chinesenviertel
Autoren: Mörder im Chinesenviertel
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Gang zwischen dem Atelier und dem mittleren Hinterhaus.
    »Warten Sie bitte hier«, sagte Bill, rückte sich seine Mütze, mit einer unwillkürlichen Bewegung zurecht und stiefelte in die angezeigte Richtung.
    Der Gang zwischen den beiden alten, halbverfallenen Gebäuden war so schmal, daß sich Bill nur mühsam hindurchzwängen konnte. Wo die beiden Häuser aufhörten, gab es einen kleinen Platz, der von der über mannshohen Hofmauer eingegrenzt wurde. Ein stinkender Haufen von Unrat, Schmutz und Müll lag dort.
    Und ein Mann. Ein Chinese, wie man auf den ersten Blick sehen konnte.
    Bill trat näher und beugte sich über die Leiche. Selbst ihm, der einiges gewöhnt war, zuckte ein Schreck durch die Glieder, als er diese Fratze sah, denn anders konnte man das vollkommen verzerrte Antlitz nicht mehr nennen. Es war, als ob die entsetzlichste Furcht, die ein Mensch überhaupt empfinden kann, in diesem Gesicht versteinert sei.
    Natürlich war der Mann tot. Und sicher schon geraume Zeit, denn der süßliche Geruch der Verwesung hing überdeutlich in der Luft.
    Bill hüstelte und trat den Rückzug an, ohne irgend etwas berührt zu haben. Er kannte seine Vorschriften für solche Fälle. Im Vorbeigehen rief er der Frau noch zu, sie möchte sich eine Minute gedulden. Aus einem Geschäft, in dem chinesische Seidentücher, Räucherstäbchen und allerlei skurrile Figuren und Gegenstände verkauft wurden, rief er die Mordkommission Manhattan Ost an. Als er zu der Frau zurückkam, erkundigte er sich:
    »Wann haben Sie den - hm — den Toten gefunden?«
    »Vor ein paar Minuten. Ich bin sofort wieder weggefahren und wollte zum nächsten Revier«, erwiderte sie. »Da sah ich Sie und hielt an.«
    »Sie haben sich demnach hier nicht lange aufgehalten?«
    »Nein. Bestimmt nicht.«
    »Haben Sie irgend etwas berührt? Den Leichnam vielleicht? Oder irgend etwas, das herumlag?«
    »Nein. Mich ekelte viel zu sehr, als daß ich etwas hätte anfassen können.«
    Bill Ricer nickte verständnisvoll. Er zog sein Notizbuch und fragte:
    »Wie ist Ihr Name, Ma'am?«
    »Jane Lorrane. Doppel-R.«
    Bill schrieb. Ohne sie anzusehen, forschte er weiter:
    »Und die Anschrift?«
    Sie sagte ihm Straße und Hausnummer und den Stadtteil. Bill schrieb eifrig. Auf die wichtigste Frage, die unbedingt hätte gestellt werden müssen, kam er gar nicht…
    ***
    Auch bei der Polizei kann es so etwas wie die Tücke des Objektes geben. Sie bestand in diesem besonderen Falle darin, daß alle mit der Bearbeitung dieses Falles Beschäftigten die gleiche winzige Kleinigkeit übersahen.
    Als nachmittags gegen drei Uhr Captain Hywood vom Hauptquartier der Stadtpolizei am Fundort der Leiche eintraf, fand er die Mordkommission mitten in der Arbeit. Detektiv-Leutnant Ram Sarou leitete die Kommission. Er hatte französische Vorfahren und fühlte sich diesem Umstand verpflichtet. Sein Haar lief an beiden Seiten des Gesichts in langen Koteletten aus, und auf der Oberlippe sproßte ein schmales schwarzes Bärtchen, dem die besondere Liebe seines Besitzers galt. Man sagte Sarou nach, daß er dieses Bärtchen sogar mit Pomade behandle, damit es immer schön glänze, aber einen Beweis für dieses Gerücht gab es nicht.
    Rein äußerlich ließ sich kaum ein größerer Gegensatz denken als der zwischen Leutnant Sarou und Captain Hywood. Sarou war klein, drahtig, elegant und immer sehr höflich. Hywood war ein Bär, breitschultrig, wuchtig und grob. Als er aus seinem Dienstwagen stieg, schnaufte er wie ein Nilpferd. Er packte den nächsten Mann der Mordkommission an einem Mantelknopf, zog den Erschrockenen dicht zu sich heran und bellte:
    »Gibt's bei eurem Verein auch einen Boß oder wird bei euch abgestimmt, ob ihr mal was tun wollt?«
    Der Gefragte hatte keinen Sinn für Hywoods bärbeißigen Humor. Schüchtern stotterte er, daß es selbstverständlich einen Leiter der Mordkommission gebe und daß dieser der Leutnant Ram Sarou sei.
    »Und wo finde ich den Leutnant?« fragte Hywood. Er konnte nichts dafür, daß seine Stimme immer klang, als käme sie aus sechs starken Lautsprechern. Bei ihm war alles zu riesig, zu groß und zu mächtig ausgefallen. Einschließlich seiner Stimme.
    »Da — dahinten!«
    Der Beamte zeigte erlöst auf Sarou, der mit ein paar Männern des Spurensicherungsdienstes vorn am Beginn des schmalen Ganges stand, der sich zwischen den beiden Häusern nach hinten zum Fundplatz des Toten hinzog. Hywood ließ den Gefragten los und marschierte mit seinen
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