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0197 - Mörder im Chinesenviertel

0197 - Mörder im Chinesenviertel

Titel: 0197 - Mörder im Chinesenviertel
Autoren: Mörder im Chinesenviertel
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die letzte Nacht freiwillig in einer Regentonne auf einem Hinterhof geschlafen, der dicht am East River liegt.«
    »Mich wundert's, daß er nicht sagte, er hätte auf dem Mond übernachtet!« röhrte Hywood. »Ich habe in meinem Leben schon manche verdammt freche Antwort einstecken müssen, aber das hier setzt allem die Krone auf!«
    »Nun mal langsam«, bremste ich Hywoods Wut. Es war nicht das erste Mal, daß ich es mit einem Außenseiter der Gesellschaft zu tun hatte. Droben in Greenwich Village, wo die meisten Künstler New Yorks ihr Domizil aufgeschlagen haben, kann man auf hundert Yard mehr verrückten Gestalten begegnen als sonstwo. Und Phil und ich waren oft genug oben gewesen, um die Mentalität dieses Künstlervölkchens halbwegs zu kennen. Wahrscheinlich gehörte auch Hiller zu den leicht reizbaren Leuten, die sofort widerspenstig werden, wenn sie sich nicht höflich genug behandelt fühlen. Indem ich das in Betracht zog, wandte ich mich, mit ausgesuchter Höflichkeit an den jungen Maler und fragte: »Das mit der Regentonne — war das Ihr Ernst, Mister Hiller?«
    »Natürlich«, erwiderte er achselzuckend. ’ »Aber diese Bürokratenseelen können das natürlich nicht begreifen. Ich will einen Tramp malen. Einen richtigen Tramp, verstehen Sie! Einen, der auf die fahrenden Güterzüge aufspringt und sich kreuz und quer durchs Land tragen läßt. Der meistens hungert und ab und zu mal was stiehlt, wenn der Hunger zu groß wird. Einen Kerl, der im Sommer schwitzt wie ein Pferd, weil er sich‘s nicht leisten kann, sich in ein Hotel mit Klimaanlage zu setzen. Und der im Winter friert, daß die Zähne gar nicht schnell genug klappern können. Einen Tramp, der von -zig Polizisten aufgegriffen und wegen Landstreicherei eingesperrt worden ist. Eben einen richtigen Tramp, mehr kann ich nicht sagen.«
    »Und was hat das mit der Regentonne zu tun, in der Sie vor geben, letzte Nacht geschlafen zu haben?« fragte ich.
    Er sah mich an und blies hörbar die Luft aus.
    »G-man, sind Sie denn auch so schwer von Begriff wie die anderen?« seufzte er. »Um einen solchen Kerl malen zu können, muß ich doch wissen, wie‘s in so einem Burschen aussieht! Ich muß mal mindestens ‘ne Woche lang frieren, hungern, obdachlos sein und so! Ich weiß ja, das ist eine halbe Lösung, denn wenn mir's nicht mehr gefällt, kann ich jederzeit wieder hier in meine warme Bude zurück — aber ein bißchen lernt man von diesen Leuten doch begreifen.«
    Ich zuckte die Achseln als ich Sarous fragenden Blick auffing. Es mochte die Wahrheit sein, was Hiller da erzählte, aber es konnte auch gelogen sein.
    »Können Sie Zeugen beibringen, die etwas von Ihrem Plan wußten, in einer Regentonne zu übernachten? Oder die Sie vielleicht sogar in der Tonne gesehen haben?«
    »Das binde ich doch keinem auf die Nase! Die meisten hätten mich doch für verrückt erklärt!«
    Damit hatte er keineswegs unrecht, aber er gab damit auch zu, daß es keine Zeugen gab. Obgleich es also keinen Beweis für seine Aussagen geben konnte, wollte ich mir doch wenigstens anhören, was ,er zu sagen hatte.
    »Um wieviel Uhr sind Sie heute morgen zurückgekommen?« fragte ich.
    »Gegen zehn. Ich wollte mit dem Bild anfangen.«
    »Bemerkten Sie irgend etwas Auffälliges, als Sie zurückkamen?«
    »Nein. Wieso? Gab es denn etwas, was mir hätte auf fallen müssen?«
    »Die Fragen stellen wir, Mister Hiller. Fühlen Sie sich dadurch nicht etwa über Gebühr unhöflich behandelt. Wir kennen Ihre Rechte als Bürger eines freien Landes ganz genau. Aber versuchen Sie bitte, auch uns zu verstehen! Man fand den Leichnam eines Mannes, der auf sehr rätselhafte Weise ums Leben gekommen ist. Es ist durchaus möglich, daß er ermordet wurde. Jetzt denken Sie sich in unsere Situation: Jeder Mörder, der von uns vernommen wird, kommt mit Ausflüchten, Lügen und Vorspiegelungen. Woher sollen wir wissen, ob jemand ein Mörder ist oder nicht? Wir sind keine Hellseher. Wir sind darauf angewiesen, daß man uns die Wahrheit sagt und daß man uns möglichst viele, möglichst glaubwürdige Zeugen dafür anführt.«
    Sanfter konnte ich ihn nun wirklich nicht mehr anfassen. Aber es zeigte sich, daß ich seine Empfindlichkeit richtig eingeschätzt hatte. Solange er angebrüllt worden war, benahm er sich widerspenstig. Auf einmal wurde er redselig und entgegenkommend.
    »Na ja«, sagte er. »Sie haben recht. Und ein Mord ist eine verdammt scheußliche Sache, die man nicht auf sich beruhen lassen
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