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0193 - Ich heulte mit den Wölfen

0193 - Ich heulte mit den Wölfen

Titel: 0193 - Ich heulte mit den Wölfen
Autoren: Ich heulte mit den Wölfen
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»Es sind Gäste meiner Töchter, die gelegentlich kürzere oder längere Zeit zu Besuch kommen. Am besten fragen Sie die selbst nach ihren Namen.«
    Die jungen Leute beeilten sich, sich vorzustellen. Da war Mac Chlens, ein blonder Krauskopf, der aussah wie ein Baseball-Champion; Richard Meadow, den man für einen griechischen Piraten hätte halten können und Al Sarpent, den ich mit einem peinlich frisierten Haar und dem glatten Gesicht als Bankbeamten oder Empfangschef eingeschätzt hätte, wenn er nicht zu dieser Tageszeit ohne Beschäftigung gewesen wäre.
    James servierte Cocktails und für den alten Herrn einen Sherry. Es wurde kaum gesprochen. Ob es nun der Respekt vor Parker oder unsere Anwesenheit war, die ihnen die Zungen lähmte, konnte ich nicht beurteilen. Das Mädchen Cilly hatte anfangs aufmerksam zugehört; dann schien es ihr langweilig zu werden. Sie fing an, im Zimmer herumzulaufen, nahm Bücher aus den Regalen und unterhielt sich auf ihre Art.
    Ich betrachtete mir die kleine Versammlung und überlegte im Stillen, ob der alte Herr wohl eine dieser Personen in Verdacht habe, der Verfasser des Erpresserbriefes zu sein. Einen anderen Grund, sie uns zu präsentieren, gab es ja schließlich nicht. Langsam kam so was wie eine Unterhaltung in Gang, an der wir uns sparsam beteiligten. James stand hinter der Bar und passte auf, dass die Gläser wieder gefüllt wurden.
    Es sah alles ganz normal aus, und doch lag eine verhaltene Spannung in der Luft, die ich nicht zu deuten wusste. Phil schien es genauso zu gehen. Er drückte seine erst halb gerauchte Zigarette aus und brannte sich eine neue an. Die drei jungen Leute saßen dicht beieinander wie Hühner vor dem Ausbruch eines Gewitters. Patsy war eng an ihren Mann gerückt, nur Nadine saß allein. Ihre grünen, arroganten Augen glitten unruhig von einem zum anderen, während ihre Hände mit einer erloschenen Zigarette spielten.
    »Wo ist Cilly?«, fragte der alte Herr plötzlich.
    »Eben war sie noch hier«, antwortete Patsy. »Ich habe sie gerade noch gesehen.«
    »Miss Cilly ist vor ein paar Minuten in die Bibliothek gegangen«, erklärte der Butler würdevoll.
    »Cilly«, rief ihre Mutter schrill und sprang auf.
    Alle rannten plötzlich in die Bibliothek, deren Zugang von einer schweren roten Portiere verdeckt war.
    Die erzwungene Ruhe war fiebriger Erregung gewichen.
    Wir hatten keinen Grund, uns an der Suche zu beteiligen. Alle diese Leute schienen merkwürdig unruhig. Es sah aus, als fürchteten sie sich, als erwarteten sie eine Katastrophe, die jeden Augenblick über sie hereinbrechen könnte.
    Nataniel Parker hatte sich halb aus seinem Sessel erhoben und winkte dem Butler. Auf dessen Arm gestützt, stand er auf, und wir taten es ihm höflichkeitshalber nach.
    Ich warf einen Blick durchs Fenster. Draußen war der Pinkerton-Mann. Er bewachte den Zugang zu dem Raum, in dem sich seine Schutzbefohlene gar nicht mehr befand. Mit drei großen Schritten war ich an der Tür zur Diele und riss sie auf. Auch dort war der Detektiv auf seinem Posten.
    Erst jetzt erschrak ich. Das Kind hatte etwas getan, was nur zu natürlich war. Es wusste, dass es bewacht wurde. Man hatte es nicht aus den Augen gelassen. Was war verständlicher, als das Cilly versucht hatte, aus dieser Bewachung ein Spiel zu machen und ihren Beschützern zu entwischen? Sie hatte es geschafft, aber wo mochte sie sein? Wahrscheinlich hielt sie sich irgendwo versteckt, und die ganze Aufregung war umsonst.
    Wäre ich Cillys Mutter gewesen, hätte ich ihr den Allerwertesten verhauen, aber um das zu tun, musste man sie erst haben.
    ***
    Ein gellender Schrei, dem ein lautes Jammern folgte, drang durch die Mauern. Es war der Schrei eines Kindes. Ich spurtete und erreichte gleichzeitig mit dem Detektiv das zum Garten führende Portal. Das Geschrei hielt an, und wir rannten darauf zu. Dann brach es plötzlich ab.
    Dicht an der Gartenmauer fanden wir Cilly. Sie lag auf dem Gesicht im nassen Gras und zuckte mit Armen und Beinen. Über der Mauer hing eine Strickleiter.
    Ich hob das Kind auf und war erleichtert. Noch atmete sie schnell, aber es schien ihr nichts geschehen zu sein. Im Gegenteil: Ihre Augen waren groß, und ich glaubte sogar, dass sie versuchte zu lächeln.
    »Danke schön, Onkel.« Sie schmiegte sich zutraulich in meine Arme. »Wird Grandpa sehr böse sein, dass ich ausgekniffen bin?«
    »Natürlich wird er böse sein«, sagte ich ärgerlich. »Was war denn nun eigentlich los?«
    »Ich wollte
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