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017 - Blick in die Vergangenheit

017 - Blick in die Vergangenheit

Titel: 017 - Blick in die Vergangenheit
Autoren: Jo Zybell
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ein paar Kräutern gewürzten Fleisch gelebt. An Feuer war nicht zu denken gewesen bei dem Regen und dem nassen Holz. In der vergangenen Nacht hatte der Kadaver des restlichen Kamaulers zu stinken begonnen.
    »Brabeelen?« Das, was Aruula Matt entgegenstreckte, erinnerte ihn an Brombeeren.
    Pflaumengroße Brombeeren allerdings.
    Sie ließen sich vor dem Unterschlupf nieder und aßen. Saftig waren sie, diese Brabeelen, und sie schmeckten säuerlich. Und machten Lust auf mehr.
    »Wir sollten uns noch ein paar Hände voll davon holen«, sagte Matt. »Wer weiß, wann wir wieder auf essbares Wild stoßen.« Er blickte nach oben in die Baumkronen. Das Blätterdach war so dicht und hing so voller Dunst, dass kaum ein Stück Himmel zu sehen war. »Es regnet schon seit dem Morgen nicht mehr. Wir brechen auf.«
    Aruula seufzte und lehnte sich an ihn. »Ich will nicht…«
    »Du willst nicht?« Matt nahm ihren Kopf zwischen seine Hände und sah sie an. Ihre Augen wirkten matt. Ein wenig traurig fast. Das energische Lodern, das er so liebte an diesen Augen, hatte sich aus ihnen zurückgezogen.
    »Key, was ist los? Deine Lebensgeister machen wohl ein Nickerchen! Oder geht es dir nicht gut?« Sofort war wieder die Sorge da, sie könne ihre Krankheit noch nicht überwunden haben.
    Aruula schlang ihre Arme um seinen nackten Oberkörper. »Meine Seele ist müde, Maddrax. Sehr müde. All das Kämpfen, all die Gefahren…«
    Sie ist fix und fertig, dachte Matt. Kein Wunder…
    Er küsste sie auf die Stirn. »Was schlägst du also vor?«
    »Lass uns hier bleiben, Maddrax. Wir roden ein Stück Wald, wir bauen uns eine Hütte, wir jagen und fischen…«
    »Urlaub also«, brummte Matt. Er versuchte zu verstehen, was seine Gefährtin bewegte, auch wenn es ihn nicht eben begeisterte. »Und für wie lange?«
    »Was ist ›Urlaub‹?«
    Wissbegierig sah Aruula auf. Die Neugier war eine ihrer hervorstechendsten Charaktermerkmale. Neben ihrer Hartnäckigkeit.
    »So hat man in meiner Welt eine Zeit genannt, in der man sich ausruht statt zu arbeiten.«
    »Nicht arbeiten?« Aruula lächelte müde.
    »Nicht jagen, nicht fischen, nicht wandern, nicht kämpfen? Wenn man tot ist, kann man aufhören damit. Vorher ist das viel zu gefährlich - man verhungert doch.«
    »Nicht wenn man ein gut gefülltes Bankkonto hat«, brummte Matt mehr zu sich selbst. Und musste unwillkürlich zurückdenken an die Nüssli-Sippe in Zürich. Was wohl aus ihrem kleptomanischen Freund Sepp geworden war…? [2]
    »Ein was?«, fragte Aruula.
    »Eine Art Vorratshöhle.« Matt drückte ihren Kopf an seine Brust und streichelte ihr dichtes Haar. Es fühlte sich drahtig und feucht an.
    »Also - wie lange?«
    »Lange, ganz lange«, sagte sie leise.
    Er blickte auf ihre Stirn hinunter. Sie hob den Kopf ein wenig, sodass ihre Blicke sich trafen. War das Verlegenheit, was er in ihren Augen sah? Matt ahnte plötzlich, was nun kommen würde. Und es kam.
    »Wir könnten Kinder haben…« Sie sprach es fast flüsternd aus. Und lächelte dabei wie ein beim Tagträumen ertappter Teenie. »Wir könnten ihnen alles beibringen, was du weißt!«
    Matt räusperte sich. Dieses Thema wir ihm schon bei seiner Ex-Frau unangenehm gewesen. In einer Welt und Zeit wie dieser gewann die Frage noch an Brisanz. Er konnte nicht einfach mit einer flapsigen Bemerkung darüber hinweg gehen, wie er es bei Liz oft getan hatte.
    Matt fasste Aruulas Kinn und versuchte ihren Kopf zu heben. Aber sie wollte nicht. Als fürchtete sie ihn anzuschauen.
    »Hör mir zu, Aruula«, sagte er schließlich, »du weißt, dass du mehr für mich bist als nur eine Weggefährtin. Du weißt, was ich für dich empfinde, und du sollst wissen, dass ich deinen Wunsch verstehe. Sehr gut sogar. Aber du musst auch mich verstehen…«
    Sie drückte sich ein Stück von Matt weg, um ihm ins Gesicht blicken zu können.
    »Ich bin von einer Sekunde auf die andere in diese fremde Welt hineingeworfen worden«, fuhr er fort. »Begreifst du, was das heißt? Ich war zweiunddreißig Jahre in einer Welt zu Hause, die mit dieser hier nicht mehr viel gemein hat. Mein Leben wurde von einem Augenblick auf den anderen zertrümmert, so wie das Kristofluu unsere Erde einst zertrümmert hat.«
    Sie nickte langsam. Mitgefühl stand auf einmal in ihrer Miene. Zärtlich streichelte sie Matts Wangen.
    »Stell dir vor, du fällst in ein Loch, Aruula - und plötzlich bist du in einer anderen Welt, in einem anderen Leben. Es gibt keinen Weg zurück, deine Freunde
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