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017 - Blick in die Vergangenheit

017 - Blick in die Vergangenheit

Titel: 017 - Blick in die Vergangenheit
Autoren: Jo Zybell
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Lefzen aus seinem Maul. Aus eisblauen Augen blinzelte er hinüber zu Rulfan, seinem Herrn.
    Der ging am Rand der Lederdecke in die Hocke und betrachtete den Kristall. Durch die festgezurrten Lederriemen hindurch schimmerte seine vollkommen glatte Oberfläche. Ein grünes Licht schien in seinem Inneren zu pulsieren. Fast oval war das fremdartige Ding. Mit einem breiteren und einem spitz zulaufenden Pol. Wie eine große Träne. Etwas Kaltes, Bedrohliches ging von ihm aus.
    Rulfan richtete sich auf. »Schlagt es in die Decke ein und verschnürt es. Wir lassen es hier liegen, bis die Hinrichtungen vorüber sind.« Er wandte sich ab und schritt in Richtung Südportal davon. Sofort war Wulf neben ihm. Die Menschen standen in kleinen Gruppen beieinander und betrachten den Scheiterhaufen und das Holzpodest. Auch um den Kristall herum hatte sich eine Menschentraube gebildet. Es ging nicht laut zu. Seit dem Ende der Kämpfe gegen die Bruderschaft und ihre Soldaten lag eine gedämpfte Stimmung über der Stadt. Zu viel Blut war geflossen. Und zu lange Zeit hatten die Scheußlichen Drei die Stadt tyrannisiert. Über viele Generationen, wenn Rulfan recht sah. Die Coelleni standen noch unter Schock. Und sie mussten sich erst an die Freiheit gewöhnen. [3]
    Rulfan blickte zu den Turmspitzen hinauf. Noch immer saß der Kolkrabe dort oben.
    »Kolk!«, rief Rulfan laut. Wulf knurrte. Der Kolk aber schwang sich in die Luft.
    »Kraahkraa«, krächzte er. Er flog einmal um die Türme des Schwarzen Domes herum und schraubte sich dann in immer enger werdenden Kreisen auf den Domplatz herunter. Rulfan streckte den Arm aus. Der Kolk landete darauf. Fast anderthalb Ellen maß der Vogel. Sein schwarzes Gefieder schimmerte bläulich. Schwarzer Flaum wucherte an der Unterseite seines klobigen schwarzen Schnabels.
    »Kraahkraa…« Er hüpfte auf Rulfans Arm auf und ab. »Kraahkraa, Lionaar, Lionaar…« Über Unterarm und Ellenbogen hüpfte er auf Rulfans Oberarm. »Kraah, Lionaar, kraah…«
    Rulfan löste den wulstigen Lederriemen von seinem linken Fuß. Der Kolkrabe spreizte die Flügel und schwang sich auf den Boden. Wulf kläffte ihn an. Der Vogel flatterte auf und flog in die Archivolte des mittleren Portals. Dort landete er auf einer schwarzen Steinfigur.
    Rulfan wickelte den Lederriemen aus- einander. Er enthielt ein hauchdünnes, durchsichtiges Stück Kunststoff. Darauf eine Botschaft in englischer Sprache. Rulfan las sie zweimal und steckte sie in die Tasche seiner Wildlederhose.
    Kurze Zeit später hatten sich fast vierhundert Menschen auf dem Platz vor dem Schwarzen Dom versammelt. In einem großen Halbkreis standen sie um den Scheiterhaufen und das Holzpodest herum. Angespannte Stille lag über den Menschen. Die Coelleni flüsterten nicht einmal miteinander.
    Trommelwirbel erklang. Juppis entzündete den Reisighaufen. Honnes und ein weiterer Coelleni, ein Greis namens Jannes Attenau, trugen ein zusammengerolltes Stück Stoff an das Feuer. Dort entfalteten sie es. Es war die Flagge der Coelleni-Bruderschaft: der Doppelturm des Schwarzen Doms auf violettem Grund, zwischen den Türmen der Strahlenkranz des Lebenslichtes, und über den beiden Turmspitzen drei gelbe Kronen.
    Rulfan trat auf das Podest. »Die Herrschaft der Scheußlichen Drei ist vorüber, Bürger von Coellen!«, rief er laut. »Die Bestien sind tot. Maddrax hat sie vernichtet. Die Bruderschaft ist entmachtet!« Juppis und Attenau warfen die Flagge in die Flammen. Die Menschenmenge brach in Jubelgeschrei aus.
    Danach traten Willer und Ulfis auf das Podest. Sie schulterten langstielige Äxte. Rechts und links des Holzklotzes nahmen sie Aufstellung. Es wurde still auf dem Platz. Das mittlere Portal des Südeingangs öffnete sich.
    Wieder Trommelwirbel. Kaadinarl Joosev XVII. trat ins Freie. Wütende Rufe erhoben sich aus der Menschenmenge. Der in ein schwarzes Gewand gehüllte Kaadinarl war gefesselt.
    Genau wie die mit grauen Umhängen bekleideten Räte, die nach ihm den Dom verließen. Fünfzehn gebeugte Gestalten. Die restlichen neun und die beiden Suprapas waren tot oder vermisst. Einige hatten die Verfolgung Maddrax' und seiner Gefährtin aufgenommen.
    Und waren nicht zurückgekehrt. Rulfan vermutete, dass sie tot waren.
    Seine Streiter führten den Kaadinarl zum Podest. Er winselte um Gnade. Doch niemand achtete darauf. Das nach den Kämpfen eingesetzte Bürgergericht von Coellen 'hatte ihn zum Tode verurteilt. Ihn und seine mörderischen Räte. Alle verloren ihre
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