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017 - Blick in die Vergangenheit

017 - Blick in die Vergangenheit

Titel: 017 - Blick in die Vergangenheit
Autoren: Jo Zybell
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Schüsse, wieder Glasbruch.
    Auf die Kühlerhaube des Mercedes drei Wagen vor Jaggers Van knallte ein Stein. Schlagartig zogen sich die Autofahrer in ihre Fahrzeuge zurück. Ohne nachzudenken hechtete auch Jagger wieder hinters Steuer. Motoren heulten auf, Reifen quietschten. Fast gleichzeitig versuchten Dutzende von Fahrzeugen aus der Blechschlange auszuscheren und zu wenden. Die Wagen behinderten sich gegenseitig. Vor und hinter Jagger kollidierten Autos. Drei heranrasende Mannschaftswagen der Polizei versperrten zusätzlich den Weg. Sie hielten mit quietschenden Reifen und spuckten Sicherheitskräfte in Kampfanzügen, mit Helmen, Schutzschildern und Gummiknüppeln aus. Jagger erkannte Gewehre in den Händen einiger.
    Er hielt den Atem an. Sein Hirn war wie leergefegt. Er merkte kaum, wie er um sich griff, den Wagen verriegelte. Plötzlich sah er, wie eine Menschentraube sich um die Fahrzeuge vor seinem Van bildete. Vorschlaghämmer und Baseba1lschläger erschienen über teilweise verhüllten Gesichtern. Windschutzscheiben splitterten. Fahrer und Beifahrer wurden herausgezerrt, verprügelt und auf den Gehsteig gestoßen. Die Menge schaukelte den Mercedes hin und her, bis er umkippte..
    Jagger griff nach seinem Koffer und sprang aus dem Wagen. Polizisten schrien: »Seien Sie vernünftig! Gehen Sie nach Hause! Geben Sie mir ihre Waffe! Wir schießen scharf!«
    Jagger sah Gummiknüppel durch die Luft sausen, hörte Aufschläge, Schmerzensschreie und Schüsse. Nur weg hier, weg…! Ein einziger Gedanke jagte durch seine Hirnwindungen, durch seine Glieder. Weg, weg, weg…
    Vor ihm stürzte sich die Menschenmenge auf die Männer in den Kampfanzügen. Arme legten sich von hinten unter Jaggers Kinn und rissen ihn auf den Asphalt herunter. Jemand wollte ihm seinen Koffer entreißen. Er hielt ihn fest, als würde er sein Leben bedeuten. Ein zweiter Mann kniete plötzlich auf seiner Brust. Ein junger Bursche mit kahlem Schädel. Beiläufig registrierte Jagger das Tattoo auf der Glatze - ein Ziegenbock-Gesicht und den schmierigen Overall. Benzingeruch ging von dem Mann aus.
    »Was bist du für einer?!«, schrie der Kerl. Er fletschte die Zähne wie ein Hund. Hass stand in seinen Augen. Hass und Angst. Jagger riss seinen Koffer zu sich heran. Eine Schuhspitze traf ihn an der Schulter. Er spürte es kaum.
    »Was bist du für einer!?« Der Kerl auf seiner Brust packte die Kragenaufschläge seines Trenchcoats und schüttelte ihn. Überall Gebrüll, überall knallten Schlagstöcke auf Körper. »Hast du einen Bunkerplatz?! He? He?! Hast du einen? Sag es! Gib es zu!«
    Eine Hitzewelle fauchte Jagger von links hinten über das Gesicht. Es stank plötzlich nach Öl und Ruß. Der Zug an seinem Koffer ließ von einer Sekunde zur anderen nach.
    »Von was redest du?!«, schrie Jagger. »Was redest du da, du verdammter Idiot!?« Er rammte dem Burschen den Koffer ins Gesicht. Einmal, zweimal, immer wieder. Der Mann rollte sich von ihm herunter.
    Jagger sprang auf. Sein Atem flog keuchend.
    Das Herz schien ihm in der Kehle zu flattern. Er suchte seinen Wagen. Und blickte auf einen Unterboden. Flammen schlugen aus dem umgestürzten Van. Auch der Mercedes brannte. Und andere Wagen ebenfalls. Schüsse peitschten, Steine flogen. Jagger duckte sich, presste den Koffer gegen die Brust und rannte los. Die Clerkenwell Road zurück bis zum Gray's Inn Garden, hinein in den Park und durch den südlichen Ausgang wieder hinaus.
    Drei Stunden irrte er durch die City. Vermied große Straßen und Plätze, das Themseufer und die Nähe öffentlicher Gebäude. Aus allen Richtungen hörte er Geschrei, Sirenen und Schüsse. Und immer wieder Helikopter.
    Es war, als wäre ein Damm gebrochen. Auch in ihm selbst.
    Natürlich hatte Jagger die Nachrichten über den nahenden Kometen seit dem Sommer verfolgt, sich aber keine übermäßigen Sorgen gemacht. Die Hoffnung hatte sein Urteil getrübt. Der Wunsch, dass alles beim Alten bleiben möge. Jetzt sah er klar. Schmerzhaft klar. Und die böse Wahrheit hatte die Stadt getroffen wie der Faustschlag eines Gottes. Wie der Vorschatten des Kometen.
    Kurz nach eins erreichte er endlich Spitalfield und die Artillery Row. Die kleine Straße an der Liverpool Street Station, in der sein Einfamilienhaus stand. Der flache Klinkerbau erschien ihm wie das Haus eines Fremden.
    Er wankte über den kurzen Weg durch den Vorgarten und schloss die Haustür auf. Alles so fremd, alles so anders. Licht brannte im Wohnzimmer und im Flur. Er
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