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0161 - Zamorras Sarg

0161 - Zamorras Sarg

Titel: 0161 - Zamorras Sarg
Autoren: Werner Kurt Giesa
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grinste spöttisch. »Die Länge stimmt in Etwa. Vielleicht sollte ich probeweise Platz nehmen…«
    »Tu es nicht«, warnte Nicole. »Etwas Böses ist…«
    Da sah es auch Zamorra.
    Im Sargdeckel.
    Ein spitzer Dom ragte nach innen heraus.
    Und mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre der Deckel selbsttätig zugeklappt - obwohl das Amulett keine magische Aura spürte. Aber vielleicht war alles mechanisch geregelt, vielleicht veränderte der Sarg unter Belastung seine Lage, so daß der Deckel allein durch die Einwirkung der Schwerkraft blitzschnell zuklappen mußte.
    »Danke, Nici«, sagte Zamorra. »Eine hinterhältige Falle. Um ein Haar hätte ich im Taschenlampenlicht den Dom nicht gesehen und wäre tatsächlich hineingestiegen…« Er griff instinktiv in die Taschen, mußte aber feststellen, daß er seinen Trainingsanzug trug, in dem es keine Zündholzschachtel in der Hosentasche gab. Achselzuckend legte er den Arm um Nicoles Schulter und wandte sich zum Gehen.
    »Ich werde Raffael Bescheid sagen«, erklärte er. »Er soll diesen verdammten Sarg verbrennen.«
    Nicole nickte. Gemeinsam gingen sie nach oben. Raffael, der alte Diener, erwartete sie bereits am Ende der Treppe.
    »Guten Morgen, Raffael« begrüßte Zamorra ihn. »Es ist mir ein Rätsel, wann sie eigentlich schlafen. Wann immer man durch diese Hallen geistert, sind Sie ebenfalls da.«
    »Ich halte es für meine Pflicht, stets zu Ihren Diensten zu sein«, sagte der alte Mann.
    Raffael war tatsächlich ein Phänomen. Weder Zamorra noch Nicole waren Frühaufsteher, und demzufolge zog sich auch das abendliche Treiben bis spät in die Nacht. Daß sie in dieser Nacht beide schon vor Mitternacht ins Bett gegangen waren, war eine der ganz wenigen Ausnahmen. Dementsprechend war auch der Tagesablauf im Château; selten wurde vor elf Uhr vormittags aufgestanden, und auch das Personal war, weil es eben nicht so früh gebraucht wurde, kaum vor zehn Uhr im Schloß. Deshalb wunderte sich Zamorra nicht wenig, daß Raffael, der zwar auch im Château wohnte, sich aber immerhin auch dem üblichen Rhythmus angepaßt hatte, schon morgens um halber achte aktiv war. Aber Raffael gab ihm diesbezüglich nicht zum ersten Mal Rätsel auf. Zamorra fragte sich, was er machen sollte, wenn Raffael die Pensionsgrenze erreichte und aus seinen Diensten schied. Der »gute Geist des Hauses« war einfach unersetzlich.
    »Unten im Keller, unseren Spuren im Staub nach, befindet sich ein schwarzer Sarg«, sagte Zamorra. »Lassen Sie ihn im Laufe des Tages verbrennen, Raffael.«
    »Wer befindet sich darin, wenn mir die bescheidene Frage erlaubt ist? Graf Dracula persönlich?«
    Zamorra schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Der Sarg ist leer, aber er wirkt da unten ein wenig deplaciert. Da ich indessen niemanden mit der Mühe der Umquartierung behelligen möchte, erachte ich es als das Einfachste, das Ding an Ort und Stelle zu verheizen. Sorgen Sie dafür, daß nach Möglichkeit niemand den Sarg berührt oder gar ausprobiert. Es ist eine teuflische Falle.«
    Raffael hob die Brauen. »Das ist unmöglich, Monsieur, niemand kann mit bösen Absichten die Abschirmung durchbrechen…«
    »Das habe ich bis heute auch immer geglaubt«, erwiderte Zamorra. »Aber irren ist menschlich.«
    Arm in Arm mit Nicole ging er zum Frühstücksraum. Dort war bereits gedeckt. Raffael hatte nicht nur das frühe Aufstehen seiner Herrschaft bemerkt und sich ebenfalls erhoben, sondern bereits für das leibliche Wohl gesorgt, während Zamorra und Nicole sich im Keller befanden; in Abwesenheit der Köchin hatte der alte Diener eigenhändig in großer Eile, aber äußerst liebevoll ein herzhaftes Frühstück zubereitet und aufgetragen.
    »Der Mann ist einfach unbezahlbar«, erklärte Zamorra einmal mehr. Und wieder einmal fragte er sich, was er ohne Raffael tun sojlte. Nicht, daß er ein verspätetes Frühstück nicht überlebt hätte - aber dieses war nur eines der vielen Details, die Raffaels Allgegenwart und Voraussicht bewiesen. Der alte Mann schien Hellseher oder zumindest Gedankenleser zu sein.
    Aber noch während sie sich über das Frühstück hermachten, brachte Raffael die erste Überraschung.
    »Monsieur, in dem beschriebenen Kellerraum gibt es keinen Sarg.«
    Nicole verschluckte sich, und Zamorra legte die Stirn in Falten. »Irren Sie sich auch nicht, Raffael? Wir haben ihn beide gesehen. Ein schwarzer Sarg mit mittlerweile aufgeklapptem Deckel. Sind Sie sicher, daß Sie nicht in einem anderen Raum
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