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0139 - Wo der Werwolf lauert

0139 - Wo der Werwolf lauert

Titel: 0139 - Wo der Werwolf lauert
Autoren: Walter Appel
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über Nicoles und Bills Schicksal, aber er besaß doch wieder Hoffnung und Zuversicht. Zamorra erhob sich, er reckte und streckte sich.
    Trotz der späten Stunde beschloß er, sich in der Schloßküche ein kräftiges Mahl zuzubereiten. Dazu wollte er einen guten Wein trinken und dann gegen-Mitternacht ein leichtes Schlafmittel einnehmen.
    Er brauchte Schlaf und Ruhe, um sich zu regenerieren. Seinen Zigarettenverbrauch würde er in Zukunft auf ein Minimum beschränken und sein sportliches Training wieder aufnehmen. Gleich am nächsten Tag wollte Zamorra ausreiten, durch das sonnige Loiretal, und auf seinen Ländereien nach dem Rechten sehen.
    Wenn die Nachricht über Nicole Duval und Bill Fleming eintraf, von der Merlin gesprochen hatte, würde Zamorra bereit sein.
    ***
    Den Tag über schlich der alte Bela Stancu um den ungefügen Holzkäfig mit den beiden eingesperrten Wölfen hemm. Ein paarmal stach er sie mit einer angespitzten Stange und freute sich, wenn sie aufheulten und knurrend nach der Stange schnappten. Er gab ihnen weder Wasser noch etwas zu fressen.
    »Euch kriege ich schon dahin, wohin ich euch haben will«, sagte der Hexer. »Ihr kommt aus dem Jenseits, also seid ihr auch Dämonenen. Wahrscheinlich verstellt ihr euch nur, weil der Schöne Gunodescu, der Herr des Schlosses am Oituz-Paß, mir keine Dämonenwölfe gönnt.«
    Gegen Abend zeigte der widerliche Alte der weißen Wölfin und dem grauen Wolf ein bluttriefenden Stück Fleisch. Aber sie wandten sich mit Abscheu davon ab.
    »Um Mitternacht unterhalten wir uns weiter«, brummte der Alte. »Euch werde ich mit einem weißglühenden Eisen auf die Sprünge helfen, wenn es sein muß.«
    Vor sich hinmurmelnd schlurfte Bela Stancu in seine Hütte, wo er sich erst einmal einen Slibowitz genehmigte. An das Mädchen Irmina, das in der vergangenen Nacht mit Hilfe der beiden Wölfe hatte flüchten können, dachte der Hexer kaum noch.
    Irmina stammte aus Dragoviste, einem Bergdorf in den Ostkarpaten, das zum Bezirk der Kreishauptstadt Tirgu Ocna gehörte. Der alte Stancu vertraute darauf, daß die Einwohner von Dragoviste ihn fürchteten und wie die Pest mieden.
    Er hatte seinen Bezirk mit an die Bäume gehängten Wolfsschädeln bezeichnet. Die Einwohner des 650-Seelen-Dorfes mieden diesen Bereich, ebenso wie den des Dämons am Oituz-Paß. Dort war es nicht geheuer, abends erzählten sich die Menschen in der Gegend schaurige Geschichten von riesigen Wölfen mit fingerlangen Reißzähnen und rotglühenden Augen.
    Schwefeldampf quoll diesen dämonischen Wölfen aus Maul und Nasenlöchern. Es hieß, daß sie selbst durch einen Spalt am Fenster oder die Ritze unter der Tür in eine verschlossene Hütte oder ein Haus eindringen konnten. Daß Bela Stancu mit dem Dämon, den man den Schönen Gunodescu nannte, paktiert hatte, war bekannt.
    Bela Stancu war zu optimistisch und zu sehr von sich selbst überzeugt. Er wußte nicht, wie es in Dragoviste gärte und brodelte. Lange genug hatte der Hexer den Dorfbewohnern schlimme Streiche gespielt und sich teuflisch darüber gefreut.
    Die Entführung der kleinen Irmina Domiczek brachte das Faß zum Überlaufen. Als die Sonne sank, rief der Pope Imri Jalea die Dorfbewohner vor der kleinen Kirche zusammen. In Rumänien wurde, wie in allen Ostblockländern, die Kirche angefeindet, aber auszurotten war der Glaube nicht.
    Besonders die konservative Landbevölkerung und allen voran die Karpatenbauern wollten auf ihren Priester oder Popen nicht verzichten. Die Einwohner von Dragoviste hingen sämtlich dem rumänisch-orthodoxen Glauben an. Der Katholizismus und der Protestantismus hatten sich hier nicht durchsetzen können.
    Der blutrote Sonnenball war schon halb hinter den Bäumen versunken. Die kleinen Häuser und Hütten standen an einer asphaltierten Haupt- und einer mit Kopfsteinpflaster versehenen Nebenstraße. Sie schienen sich am Berghang zu ducken.
    Ein paar Gehöfte lagen außerhalb. Die Kirche mit dem Zwiebelturm und das schmalbrüstige Pfarrhaus daneben lagen im Zentrum des Ortes. Imri Jalea, der Pope, stand auf dem Treppenabsatz vor der Kirchentür und reckte das Prozessionskreuz am Stab empor.
    Vor ihm, auf der Straße und dem freien Platz vor Kirche und Rathausgebäude, drängten sich die meisten Einwohner von Dragoviste zusammen. Es waren Männer, Frauen und Kinder, einfache Bauern und ein paar Handwerker und Arbeiter.
    Mit offenen Mündern gafften sie den eifernden Popen an.
    Imri Jalea war ein schmächtiges Männlein
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