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0128 - Der Seelenwald

0128 - Der Seelenwald

Titel: 0128 - Der Seelenwald
Autoren: Martin Eisele
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schon alles.
    Ich machte ein paar Schritte. Orientieren konnte ich mich nicht.
    Die Baumstämme standen dicht an dicht. Tannen, Eichen, Birken.
    Ein scheinbar willkürliches Durcheinander. Dazwischen wucherte dorniges Gestrüpp. Der Boden wurde von einer dichten Schicht welken Laubs, Tannennadeln und morscher Äste gebildet.
    Der Wind wurde stärker.
    Ich konnte mir nicht denken, woher er kam.
    Jetzt hörte er sich wie der Atem eines gigantischen Lebewesens an.
    Ringsum lauerte Düsternis. Trotzdem war es noch hell genug, um einigermaßen gut sehen zu können.
    Ich dachte an die Tentakel, an das Mädchen, dem ich nicht mehr hatte helfen können… An Jane Collins …
    Und an Suko.
    Wo mochte er stecken?
    Oder besser: Wo steckte ich? Lag der Wald in einer anderen Dimension? Verband ihn die magische Tarnung, die darübergestülpt war, mit der Erde?
    Oder machte sie ihn lediglich unsichtbar und gegenstandslos?
    Zahlreiche Fragen und keine vernünftige Antwort.
    Ich drehte mich um meine eigene Achse. Meine Blicke bohrten sich in das Dämmerlicht.
    Im selben Augenblick hatte ich das Gefühl, mein Herz würde einfrieren!
    Hinter mir, neben mir, vor mir – überall wuchsen die Klauenhände empor!
    Aus dem wildzuckenden Boden, aus den sich wiegenden Baumstämmen… Sogar aus den Ästen, die sich wie ein natürliches Dach über mich bogen.
    Ein gehässiges Lachen brandete auf! Es kam von überall und nirgends. Und der Wind wurde stärker!
    Dann griffen die Klauen an!
    Irrsinnig schnell zuckten sie vor, krachten gegen mich, schleuderten mich zu Boden. Ich rollte ab, wollte wieder hochfedern, aber dabei blieb es.
    Der Boden bebte. Wimmelnde Bewegungen ringsum. Schlangengleich wälzten sich die monströsen Arme, die in die furchtbaren Klauenhände mündeten, heran und umschlangen mich. Windend, zuckend, zitternd und schleimabsondernd!
    Aufgeben stand nicht zur Debatte! Ich würde bis zum letzten Atemzug kämpfen.
    Die Tentakel waren überall. Wie ein kochendes, brodelndes Meer umgaben sie mich.
    Schwarze Fontänen spritzten auf. Dort, wo die Flüssigkeit meine Haut traf, bekam ich höllische Schmerzen.
    Aber darauf konnte ich gar nicht achten.
    Immer mehr Tentakel walzten heran! Das höhnische Wahnsinnsgelächter explodierte förmlich! Die Tentakel begruben mich unter sich!
    ***
    Irgendwann herrschte Stille!
    Kein Blatt raschelte mehr, kein Halm knisterte, kein Ast knackte.
    Und mörderischer Druck wich von meiner Brust!
    Schlagartig!
    Ich begriff es nicht, ich kam mir nur hundsmiserabel vor. Wie ein lächerlicher Spielball gigantischer Mächte. Und genau das war ich ja auch.
    »John…«
    Die Stimme zerfaserte.
    Ich erkannte sie trotzdem auf Anhieb. Mit einem ärgerlichen Schnauben kam ich auf die Füße.
    Glenda Perkins stand vor mir. Sie wirkte entrückt. Ihr Gesicht war verklärt. »Ich bin gekommen, John. Der Seelenwald soll mich nehmen! Ich will sterben. Wie es vorherbestimmt ist!«
    »Hör auf damit!« brüllte ich. Ich packte sie bei den Schultern und schüttelte sie.
    Sie schien es nicht einmal zu bemerken.
    Sinnlos.
    Sie war verrückt geworden.
    Dieses Wort elektrisierte mich geradezu. Verrückt. Das war des Rätsels Lösung. Deshalb hatten sich die Tentakel des Seelenwalds zurückgezogen! Dämonen konnten die Ausstrahlung eines wahnsinnigen Menschen nicht ertragen. Sie flohen davor!
    »Glenda«, sagte ich sanft. »O verdammt, Glenda!«
    Dieser Preis war zu hoch!
    Sie machte sich frei und ging los. »Ich bin gekommen, um zu sterben… Ich bin da!«
    Sie bahnte sich ihren Weg durch das Unterholz, wich mit traumwandlerischer Sicherheit den dichtstehenden Stämmen aus.
    Fratzen bildeten sich darin, qualvoll verzogene Fratzen! Aus der Rinde der Bäume, die sie berührte, quollen schwarze Tropfen.
    Glenda schritt schneller aus. War sie ihrem Ziel so nahe?
    Ich hörte Stimmen. Monotonen Singsang.
    Da rastete etwas in meinem Gehirn ein! Plötzlich erfüllte mich wilde, wahnsinnige Hoffnung!
    Ich rannte los, packte Glenda, riß sie mit mir.
    Nichts versuchte, uns aufzuhalten. Einige Yards von uns entfernt raschelte es. Hin und wieder sah ich huschende Schemen. Arme wanden und ringelten sich. Klauenhände öffneten und schlossen sich wie unter mühsam verhaltener Erregung!
    Und dann erreichten Glenda und ich den Waldrand!
    Ein Talkessel mit einem Dorf. Die Hänge auf der gegenüberliegenden Seite waren dicht bewaldet. Vor uns aber war der Boden, abgesehen von einigen spärlichen Grasbüscheln, kahl.
    Aus brennenden Augen
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