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0128 - Der Seelenwald

0128 - Der Seelenwald

Titel: 0128 - Der Seelenwald
Autoren: Martin Eisele
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der Zeit. Jane glaubte, eine Ewigkeit würde vergehen. Jahre. Jahrzehnte.
    Dann waren die Schritte wieder zu hören. Sie entfernten sich!
    McCradys Haltung entspannte sich. »Wenn sie Hunde bei sich gehabt hätten, dann wären wir jetzt geliefert gewesen«, brummte er. »Vielleicht schaffen wir es doch noch. Vielleicht kommen wir doch noch aus diesem verfluchten Dorf raus! Wenn nicht…« Er vollendete den Satz nicht. Es war auch nicht nötig.
    Er nahm seine Hand weg. Jane schnappte nach Luft.
    »Wir warten noch zwei Minuten, dann gehen wir weiter«, bestimmte er.
    Sie nickte.
    Einen Sekundenbruchteil lang sah er ihr forschend ins Gesicht.
    Seine rötlichen Augen schienen zu glühen. Fanatisch. Wie die Augen eines Besessenen. Und das war Peter McCrady. Ein Besessener. Ein Mensch, der einen Dämon in sich trug! Momentan hatte er ihn unter seine Kontrolle gezwungen. Aber wie lange noch
    …? Wie lange konnte sie ihm noch vertrauen? Es war nur eine Frage der Zeit, bis er dem Bösen wieder unterlag, und dann wurde er wieder so wie die anderen …
    Jane unterdrückte diese Gedanken. Nicht daran denken, hämmerte sie sich ein. Nicht jetzt. Noch hilft er mir. Und wenn er sich verändert, dann werde ich das hoffentlich rechtzeitig genug bemerken.
    Sie wußte, daß er sich nichts so sehr wünschte, als das Dorf zu verlassen. Wieder zu einem normalen Menschen zu werden.
    Vielleicht half ihm das, den Dämon zu beherrschen.
    Sie spürte den salzigen Geschmack seines Schweißes auf ihren Lippen und wischte sich mit dem Handrücken darüber.
    McCradys rasselnder Atem beruhigte sich. Die Flucht vor seinen Artgenossen hatte ihn angestrengt. Er war nicht mehr der Jüngste, und dementsprechend schwer fiel ihm die Rennerei. Jetzt perlte Schweiß auf seiner Stirn, obwohl es empfindlich kalt war. Der Nachtwind fächelte in ihre Gesichter. Die Nebelschleier, die dicht über dem Boden schwebten, gerieten in wirbelnde Bewegungen.
    Noch immer wurden Befehle gebrüllt, wehten Gesprächsfetzen zu ihnen her. Stimmengewirr und das heisere Kläffen der Hunde vereinten sich mit dem Wind.
    Der Mob schien jetzt außerhalb des Dorfes nach ihnen zu suchen.
    Dünn und seltsam fremdartig hallten die Geräusche durch die stille Nacht.
    Atemlos lauschte Jane.
    »Sie scheinen unsere Spur verloren zu haben«, hauchte sie nach einer Weile.
    »Das glaube ich nicht«, meinte McCrady skeptisch und wiegte seinen massigen Schädel. »Sie verlieren niemals eine Spur. Denken Sie bloß an die Hunde… Nein, nein, ich weiß schon, was das zu bedeuten hat: Sie spielen Katz und Maus mit uns!«
    Jane sah zu ihm hoch, aber sie sagte nichts mehr.
    Sie spürte, daß sich ihre Furcht legte. Sie war immer noch vorhanden, aber auf ein vernünftiges Maß reduziert. Zu oft schon hatte sie dem Grauen Auge in Auge gegenüber gestanden, und bisher hatte sie noch jedes Abenteuer mit einem blauen Auge überstanden. Sie war Privatdetektivin. Der Beruf allein war schon hart genug. Wenn man aber dazu auch noch mit einem Mann wie John Sinclair befreundet war, dann mußte man sich zwangsläufig damit abfinden, daß man kein geruhsames Leben führen konnte. John war Oberinspektor bei Scotland Yard. Eine Ein-Mann-Sonderabteilung, die das Böse konsequent an der Wurzel bekämpfte. Keine normalen Verbrecher, nein, sondern Dämonen, Wer-Wesen, Monster… Denn entgegen der allgemeinen Meinung rationell denkender Skeptiker und Ignoranten gab es diese Wesenheiten! Und sie wurden von Tag zu Tag einflußreicher!
    Asmodis, Asmodina, Doktor Tod, der Spuk, und wie sie alle hießen – alle kannten sie nur ein Ziel: die Macht des Bösen auf Erden zu manifestieren!
    John warf ihnen in schöner Regelmäßigkeit Knüppel zwischen die Beine.
    Aber es war ein Kampf ohne Ende…
    Und dieses Mal war sie – Zufall oder nicht – in ein ›Projekt‹ der Dämonen hineingeschlittert. John war verflixt weit weg, in London.
    Sie mußte allein zusehen, wie sie klarkam.
    Man sollte eben mehr Glück haben, dachte sie sarkastisch.
    Aber wer sarkastisch ist, der ist okay. Sie brachte es sogar fertig, ein kleines Lächeln auf ihr bleiches Gesicht zu zaubern.
    McCrady sah es. »Sie sind schon ein seltsames Mädchen«, flüsterte er anerkennend.
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Ich glaube, die Luft ist rein. Kommen Sie, Jane.«
    Vorsichtig lösten sie sich aus dem Schlagschatten der kleinen Wandnische und eilten weiter.
    Vorhin hatte ihr McCrady erklärt, wohin sie sich wenden mußte, falls sie voneinander getrennt
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