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0121 - Horror-Urlaub

0121 - Horror-Urlaub

Titel: 0121 - Horror-Urlaub
Autoren: Gerhart Hartsch
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Gesicht. Deutlich hob sich eine weiße Hand ab gegen das Schwarz der Pelerine. Stumm erwartete die Gestalt den Angreifer.
    Holger Jerup marschierte gegen das Licht, das der Mond spendete.
    Er konnte nur die markante Silhouette des Unheimlichen ausmachen, darüber hinaus kaum eine Einzelheit. Die Gestalt verschmolz mit dem dunklen Wall der Rosenbüsche.
    Ob der Bursche bewaffnet war?
    »Wer bist du?« würgte Holger Jerup hervor.
    Er erwartete keine Antwort. Es beruhigte ihn nur, die eigene Stimme zu hören. Noch besser wäre es für seine Nerven gewesen, die grausige Erscheinung hätte auch einmal den Mund aufgetan. Worte hätten bewiesen, daß dort ein Mensch stand - wer immer es auch war.
    Aber der Mann mit dem Dreispitz sagte kein Wort. Er lachte nur glucksend. Es klang hämisch und verzerrt. Dann setzte sich der Mann in Bewegung, kam auf Holger Jerup zu.
    Der Lehrer ging in Abwehrstellung.
    Früher hatte Holger Jerup geboxt. Zu dieser Kunst wollte er jetzt seine Zuflucht nehmen, obgleich er noch nie gehört hatte, daß Geister knockout geschlagen worden waren. Aber irgend etwas mußte er tun.
    Langsam kam der Schwarze näher.
    Der Mond stand in seinem Rücken. Der Umhang flatterte im Seewind. Die Füße knirschten über den Kiesweg.
    Der Kerl streckte die behaarte Pranke aus.
    Er stammelte unverständliches Zeug. Es folgte dieses nervenzerfetzende, halberstickte Lachen.
    Die Gestalt trat neben den Lehrer, legte die Hand auf seine Schultern. Das jetzt schräg einfallende Mondlicht enthüllte ein Gesicht von abstoßender Häßlichkeit mit groben Zügen und wulstigen Lippen.
    »Ole Munk!« stammelte Holger Jerup erleichtert. Der Irre galt im Dorf als ungefährlich. Woher mochte er die Sachen haben? Möglicherweise kannte er den Frauenmörder von Anholt schon immer. Denn er strolchte - besonders in mondhellen Nächten, getrieben von einer unerklärlichen Unrast - über die Insel. Dabei mochte er Bjoerner begegnet sein. Vielleicht hatte er ihn bei scheußlichen Kulthandlungen im Dünengebiet beobachtet, ohne zu begreifen, was dort vor sich ging.
    Bjoerner hatte ihm nichts getan, weil von diesem Mann kein Verrat drohte. Ole Munk war kaum fähig, ein paar zusammenhängende Sätze zu reden. Er hatte so viel von dem Mann mit dem Dreispitz gehört, daß er ihn für bedeutend hielt und ihn aus diesem Grund nachahmte. Aber wie kam er zu den Requisiten?
    Es gab nur eine Erklärung. Bjoerner hatte viele Verstecke im Dünengebiet angelegt. Ole Munk hatte ihn dabei beobachtet und sich die Pelerine und den Dreispitz genommen. Möglicherweise kannte er mehr Depots, als die Suchtrupps bis jetzt gefunden hatten.
    »Zieh das Zeug aus!« befahl Holger Jerup. »Du machst die Leute kopfscheu. Sie sind empfindlich gegen diese Art, sich zu kleiden.«
    Ole Munk lächelte stolz.
    Er marschierte um den Lehrer herum, aufrecht wie ein Torero. Auf seinen wüsten Zügen spiegelte sich kindische Freude. Immer wieder lachte er glucksend. Speichel tropfte aus dem Mund auf das Kinn.
    Ole Munk winkte mit geheimnisvoller Miene.
    Er ging auf das Haus zu, in dem Marion Theben hockte und vor Angst schlotterte.
    »Das geht nicht, Ole!« schrie Holger Jerup. »Du wirst sie erschrecken. Sie erkennt dich nicht in diesem Aufzug!«
    Der Irre begriff nicht die Worte, nur den Tonfall, der ihm sagte, daß er etwas falsch machte. Diese Art von Erfahrung war die einzige in seinem armseligen Leben.
    Seine Zuneigung zu der hübschen Deutschen siegte. Ole Munk wollte sich durchsetzen. Unbeirrbar setzte er seinen Weg fort, lief zur Vordertür und klingelte wütend.
    »Bleib hier, zum Teufel!« befahl der Lehrer.
    Er rief Marion Theben zu, sie möge sich nicht fürchten. Er erklärte ihr die Sachlage. Sie meinte, er solle den Verrückten wegjagen.
    Holger Jerup begriff, daß Marion Theben nicht in Stimmung war, diese Art von Besuch zu empfangen. Sie stand noch unter Schockwirkung. Zuviele unselige Erinnerungen waren verknüpft mit Umhang und Dreispitz.
    Ole Munk stand wie ein König vor der Tür. Er fühlte sich schön. Endlich trug er etwas anderes als diese zerfetzte Hose und den armseligen Pullover. In seinem Wahn hatte er immerhin begriffen, daß Kleider Leute machen.
    Ärgerlich betätigte er die Klingel, forderte Einlaß. Er wollte sich der zeigen, auf deren Urteil er besonderes Gewicht legte. Leider mochte sie ihn nicht empfangen. Und Holger Jerup war bereit, sie zu verteidigen.
    Es kam, wie es kommen mußte.
    Holger Jerup wirbelte den Irren an der Schulter herum
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