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0119 - Königin der Seelenlosen

0119 - Königin der Seelenlosen

Titel: 0119 - Königin der Seelenlosen
Autoren: Franc Helgath
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bis in die schwindelnde Höhe von sieben Stockwerken klettern konnte, wenn man schwindelfrei war.
    »Danach lebten Menschen in diesen Burgen, wie ihr sie jetzt seht«, erklärte Ayscha. »Wir brauchten keine Behausungen mehr. Unsere Seelen lebten im Wind, in den Gräsern und in den Flüssen, die es damals noch gab. Aber auch unsere Zeit geht jetzt zu Ende. Unsere Seelen sind sterblich. Wir werden verblassen, und es gibt nicht mehr viele von uns.«
    »Nicole hat dich eine Königin der Toten genannt«, meinte Zamorra. »Wie ist das zu verstehen?«
    Ein verhaltener Seufzer entrang sich »Nicoles« Brust.
    »Weil ich eine Königin von Menschen war«, antwortete sie traurig. »Ich habe versagt. Ich konnte sie nicht beschützen. Saakuul war letzten Endes stärker als ich.«
    »Saakuul?«
    »Er war mein Bruder. Wir kamen aus demselben Gelege. Gerade zu jenem Zeitpunkt, als unsere Körper vernichtet und wir zu Seelen wurden. Saakuul ist anders als ich. Er ist böse. Zu jenen Zeiten, als eure Vorfahren zum Homo sapiens wurden, wie ihr das nennt, gab es unsere Körper bereits nicht mehr. Wir waren dem Untergang geweiht, und das wußten wir. Ich habe mich darein gefügt. Saakuul brachte das nie fertig.«
    Und nach einer kurzen Pause des Schweigens:
    »Ich habe versucht, den ›Nachgeborenen‹ zu helfen, ihnen Fertigkeiten zu vermitteln, die sie gebrauchen konnten. Aber Saakuul war voller Haß über sein Schicksal. Er wollte sich nicht in die Dinge fügen, doch auch er sammelte Menschen um sich. Er wollte sie beherrschen. Ich wollte sie beschützen. Wir entzweiten uns. Wir wurden erbitterte Feinde. Er bediente sich der schwarzen Magie, wir ihr es nennen würdet, und ich mich der weißen. So begann unser Kampf. Mich konnte Saakuul nicht töten. Doch er hetzte seine Horden auf und schickte sie gegen die Menschen, die mir vertrauten. Ich war ihre Göttin. Ihre Königin. Ich konnte sie nicht beschützen. Bei einem Überfall starben alle meine Lieben. Deshalb nannte Nicole mich die Königin der Toten.«
    »Du…, du bist die Letzte deiner Rasse?«
    »Nein. Saakuul existiert noch. Aber er hat einen Weg gefunden, noch viel älter zu werden. Er möchte wieder Menschen beherrschen. Und deshalb habe ich euch gerufen. Nur dir, Zamorra, ist es möglich, ihm Einhalt zu gebieten. In deiner Zeit. Meine Seele wird bald vergehen. Ich habe nur mehr sehr wenige Tage. Doch du mußt wissen, was geschehen ist, um entscheiden und verstehen zu können, was du tun mußt, um das Unheil von den Menschen deiner Rasse abzuwenden. Entspannt euch. Seid locker. Ich werde euren Geist durch die Zeiten entführen, damit ihr Zeugen werdet. Aber ich kann das nicht gegen euren Willen tun. Ihr müßt euch freiwillig stellen. Ich habe keine Gewalt über euch. Ihr seid die alleinigen Herren über eure Entschlüsse.«
    Zamorra brauchte nicht lange zu überlegen. Sicher sprach er auch im Namen Bill Flemings, als er sagte:
    »Du kannst voll über uns verfügen.«
    Nicoles Kopf nickte.
    »Macht eure Gedanken frei, und folgt mir auf dem Weg durch die Äonen.«
    ***
    Die Umrisse des Burginneren verblaßten wieder. Die bedrückend andersartige Kulisse von vorher tauchte wieder auf. Doch nun war der Garten nicht mehr leer.
    Zamorra konnte von sich nicht behaupten, daß er Reptilien aller Art zeit seines Lebens besonders geschätzt hatte. Doch jene, die er jetzt sah, fand er irgendwie possierlich. Bald kam er darauf, warum dem so war.
    Die Augen jener Echsen mit den Hautfalten an der Seite, die den Flügeln einer Fledermaus ähnelten, glotzten nicht kalt und teilnahmslos. In ihnen waran Wärme, Zutrauen. In ihnen waren Leben und die Freude daran. Intelligente Reptilien. Sie huschten um seine Beine, versuchten, mit ihm zu spielen.
    Doch schon änderte das Bild sich wieder. Die Echsen waren alle tot und verwesten. Die Mauern mit den achteckigen Löchern darinnen begannen abzubröckeln. Sandstürme wüteten über die Grate und Kanten und brachten sie zum Heulen. Die Gewächse verdorrten. Sand und Lehm breiteten sich aus.
    Und die ersten Menschen kamen. Dunkelblonde, braungebrannte Geschöpfe. Sie tanzten einen seltsamen Tanz um einen Altar, der von einer Statue mit einem Echsenkopf gekrönt war. »Ayscha, Ayscha«, murmelten die halbnackten und nur mit Lendenschürzen bekleideten Gestalten. Ein Ritual nahm seinen Lauf. Spürbar war die Angst, die diese frühen Menschen ergriffen hatte. Sie beschworen den Segen ihrer Göttin auf sich herab.
    Es sollte ihnen nichts
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