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0113 - Schwarzer Tee aus Hongkong

0113 - Schwarzer Tee aus Hongkong

Titel: 0113 - Schwarzer Tee aus Hongkong
Autoren: Schwarzer Tee aus Hongkong
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mitgeteilt, daß er sich gar nicht weit zu bemühen brauche. Damit hat man dann die Gäste erst einmal in den Hinterzimmern. Dort werden sie von jungen Mädchen empfangen. Mit einem bißchen Geschick bringen die jeden dazu, daß er mal ein Pfeifchen raucht. Na, und damit fängt es an.«
    Phil sprang auf und rief:
    »Ich habe das ganze Theater gestern abend mitgemacht, weil ich noch ein letztes Mal meine Zeichnungen vom Haus überprüfen mußte. Heute abend soll schließlich die Sache steigen. Ich kann euch nicht sagen, wie oft mir die Finger juckten. Am liebsten hätte ich mit Fäusten dreingeschlagen.«
    »Das hätte nur alles verdorben«, sagte der Chef schnell. »Es war richtig, daß Sie sich beherrscht haben, Phil. Haben Sie auch — hm — Opium geraucht?«
    Phil setzte sich und rieb sich über die
    Stirn.
    »Wenn Sie wüßten«, grinste er ein bißchen verlegen, »was ich für Kopfschmerzen habe, Chef, dann wüßten Sie auch, daß mir nichts andres übrigblieb. Wenn ich nicht auffallen wollte, mußte ich’s tun.« Er machte eine geringschätzige Bewegung und sagte mit verlegenem Lächeln: »Der Rausch war wirklich ganz interessant. Aber erstens bin ich gar nicht so sehr für Räusche, zweitens würde Ich dafür niemals meine Gesundheit ruinieren, und drittens gefällt mir der unbeschreibliche Kater nicht, der diesem verdammten Zeug folgt…«
    Wir atmeten erleichtert auf. Phils Grinsen und seine ganze Art bewiesen uns, daß das Gift ihm nicht die Vernunft hatte töten können. Er hatte die gefährlichste Klippe umschifft, die es bei diesen Dingen gibt: Das Probieren und den Wunsch, es auch noch ein zweitesmal zu versuchen.
    »Was für eine Bewaffnung würden Sie für heute abend vorschlagen?« wandte sich Mister High an Phil.
    Mein Freund zuckte die Achseln. »Maschinenpistolen, gewöhnliche Pistolen und Tränengashandgranaten.«
    »Gut«, sagte der Chef. »So hatte ich mir das auch gedacht. Nun, Jerry, und was haben Sie zu der ganzen Sache zu berichten?«
    Ich beugte mich vor…
    ***
    Niemand sah Li Yu Tang an, daß sie schon fünfundzwanzig Jahre zählte. Man hielt sie allgemein für achtzehn, höchstens neunzehn Jahre. Vielleicht lag es an ihrer zierlichen Gestalt, vielleicht an dem zarten Gesicht, vielleicht an ihrem ganzen Wesen.
    Geboren war sie als fünftes Kind eines Deltafischers. In ihrer Jugend hatte es wenig Reis und oft Prügel gegeben, denn der Flußgott war launisch: Wenn der Vater wenig gefangen hatte, entlud sich sein Zorn häufig an den Kindern.
    Mit neun Jahren war sie durchgebrannt. Des ewigen Hungers und der ständigen Schläge müde, hatte sie sich bis Hongkong durchgeschlagen. Dort war sie durch einen Zufall einem Missionar in die Hände gelaufen, der sie mit nach Hause genommen hatte.
    Von diesem Tage an begann eine sehr glückliche Zeit für Li Yu Tang. Was sie nie zu hoffen gewagt hatte, nämlich jeden Tag satt zu werden, das wurde auf einmal zur Selbstverständlichkeit.
    Der Missionar erkannte früh die hohe Begabung, die in dem Kind schlummerte. Er lehrte Li Yu Tang Englisch und Französisch, da er selber dieser Sprachen mächtig war. Das Mädchen lernte sie in einem unglaublichen Tempo. Ihr wacher Geist bewältigte schwierige Aufgaben in kurzer Zeit.
    Als sie dreizehn Jahre alt war, sprach sie Englisch und Französisch ebenso fließend wie ihren heimatlichen Dialekt. Eines Tages verließ der Missionar Hongkong, um, entgegen aller Ratschläge seiner Freunde, in das Innere des Landes zu ziehen.
    Li Yu Tang ging mit ihm, was selbstverständlich war, weil sie zur Familie gehörte, genau wie die anderen Kinder des Missionars.
    In einem Bergdorf siedelte sich die Familie an. Li Yu Tang verstand zwar den Sinn der Reise nicht, aber sie war zufrieden, daß ein wenig Abwechslung in das eintönige Leben geriet, das sie in Hongkong geführt hatten.
    Im Dorf war ein alter Weiser, einer jener sagenhaften Künstler Chinas, die mit Pinsel und Tusche seltsame Zeichen von rätselhafter Schönheit malten.
    Li Yu Tang war seit je mit ihrem wachen Geist dem Rätselhaften zugetan gewesen — freilich immer nur solange, bis sie es ergründet hatte. Ohne daß es ihr bewußt geworden wäre, lag in ihr eine natürliche, große Begierde nach Wissen. Sie suchte immer öfter den Alten auf, der sie gern empfing und dem Mädchen schließlich regelmäßig Unterricht in der schwierigen Schreibkunst Chinas gab.
    Drei Jahre und ein paar Monate brauchte Li Yu Tang, bis sie bei dem Alten nichts mehr lernen konnte und
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