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0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten

0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten

Titel: 0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten
Autoren: Franc Helgath
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jetzt wünschte er es sich doch, daß seine Bemühungen Früchte trugen.
    Seine Augen glänzten fiebrig, an seinen gepflegten Händen traten unwillkürlich die Sehnen heraus, er hatte das Gefühl, als würden seine Ohren zu Tentakeln auswachsen, die sich gierig den Lautsprechern entgegenreckten.
    »Mensch…«, wisperte es aus den Boxen. »Warum störst du meine Ruhe…«
    Das war wirklich anders! Ganz anders als jeder Kontakt mit vergangenen Seelen, den er bisher hergestellt hatte! Den anderen Stimmen- hatte dieses erdrückende Drohen gefehlt, das in diesem heiseren Flüstern mitschwang. Die anderen Seelen waren ihm mehr oder weniger devot erschienen. Doch diese Stimme hier war die Stimme eines Herrschers. Eines Wesens, das seine Wünsche immer nur in Form von barschen Befehlen hatte laut werden lassen. Sie war anders. So ganz anders als all jene, die er bisher archiviert hatte. Der Stolz eines Entdeckers durchflutete Kim Lisöjn. Sein von der Anlage her phlegmatisches Gemüt bekam durch diese Lautsprecherstimme einen heftigen Stoß, machte aus Kim Lisöjn für Minuten einen hoffnungsfrohen, optimistischen Sanguiniker. Er sah sein Ziel in greifbare Nähe gerückt.
    Er schaltete um auf »Senden« und wußte im selben Moment, daß das bei dieser Seelenpersönlichkeit nicht nötig gewesen wäre. Das Band zeichnete weiter auf.
    »Antworte, Mensch…«
    Kim Lisöjn fand allmählich wieder von der Leiter herunter, die ihn in die Bereiche gläubiger Euphorie geführt hatte. Sein analytischer Verstand meldete sich. Und mit ihm seine Schnoddrigkeit, die Kim Lisöjn wenige Freunde, aber eine ganze Menge Feinde geschaffen hatte. Er konnte schroff bis über die Grenzen der Beleidigung hinaus werden. Vor allem konnte er nicht aus seiner Haut heraus.
    »Okay, Alter«, sagte er deshalb. »Okay. Und mach’ ein bißchen weniger Wind, ja? Du unterhältst dich hier mit einem relativ gebildeten Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts. Du kannst soweit zählen?«
    Die Antwort bestand aus Schweigen. Kim Lisöjn rechnete schon mit einer groben Gegenrede. Er hatte sich im Umgang mit den Stimmen Verstorbener seine eigenen Regeln geschaffen. Denn sie neigten dazu, ihre sterbliche Kontaktperson herablassend zu behandeln, als wären sie etwas Besseres. Offensichtlich gefielen sie sich in der Rolle eines mystisch verbrämten Geistes, wogegen Kim Lisöjn annahm, daß sie allesamt »arme Schweine« waren - so nannte er sie in seinen Aufzeichnungen -, die sich nichts sehnlicher wünschten, als aus ihrer erzwungenen Isolation auszubrechen.
    Er bot ihnen die Möglichkeit dazu. Er hatte einen Weg gefunden. Und Kim Lisöjn wollte sich von niemandem anschnauzen lassen. Schon gar nicht vom Geist eines Verstorbenen, dessen Stimme er mit dem einfachen Umkippen eines Schalters wieder verstummen lassen konnte.
    »Bist du noch da, Alter?«
    Von da ab nahm das Gespräch eine vollkommen andere Wendung, als Kim Lisöjn es bisher gewohnt war. Er wurde mit Flüchen und Beschimpfungen überschüttet.
    Als er abschaltete, wurde er das Gefühl nicht los, seine große Chance vertan zu haben.
    Er wußte nur eines: Der Dämon, mit dem er Kontakt bekommen hatte, nannte sich Narko. Mehr war nicht über ihn zu erfahren gewesen.
    Kim Lisöjn rollte auf seinem Bürostuhl zurück und griff nach einer Zigarette. Nach einigen Zügen stand sein Entschluß fest.
    Mit diesem Wesen trat er besser nicht mehr allein in Kontakt. Die nächste Stunde verging darüber, daß er die Bandaufzeichnung kopierte und einen kurzen Brief an einen Professor in Frankreich schrieb.
    ***
    Professor Zamorra streckte und dehnte sich wohlig in seinem breiten Bett. Manchmal liebte er es, bis in den späten Vormittag hineinzuschlafen. Besonders dann, wenn er bis in die Nachtstunden hinein gelesen oder gearbeitet hatte.
    Nicole war schon aufgestanden, doch die Kissen neben ihm strömten noch ihr Parfüm aus und die Frische ihrer Haut.
    Zamorra war es sonntäglich zumute. Er liebte diese Augenblicke zwischen Tag und Traum, weil sie ihn weit der Wirklichkeit entrückten. Einer Wirklichkeit, die ständig irgendwelche Widerwärtigkeiten für ihn parat hatte. Er hatte Lust, sich zu entspannen, sich ohne Reue zu erholen, sich den Bequemlichkeiten seines Schlosses hinzugeben.
    Château de Montagne…
    Als er es vor wenigen Jahren erbte, war es ein alter Kasten gewesen, der sich malerisch über das Loiretal erhob, von finsteren Wäldern und hellen Weinbergen umgeben.
    Inzwischen war das alte Gemäuer umgebaut,
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