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0101 - Die Menschentiger

0101 - Die Menschentiger

Titel: 0101 - Die Menschentiger
Autoren: Franc Helgath
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daß sie nur sehr unzulänglich bekleidet war. Sie wurde rot bis hinter beide Ohren, raffte das Kleidungsstück an sich und drehte sich von den beiden Männern weg, als sie in die viel zu langen Ärmel schlüpfte.
    Bill grinste und sah Zamorra nachdenklich an.
    »Ich glaube, ich habe den schlechteren Part dieses Abenteuers erwischt.«
    Doch danach wurde er sofort wieder ernst.
    »Okay. Ich versuche, in kürzester Zeit wiederzugeben, was Khan Raf Shuk mir innerhalb einer halben Stunde über die Tigermenschen erzählt hat.«
    Zamorra schaute ihn erwartungsvoll an. Bill räusperte sich. Nicole hatte die Khakijacke zugeknöpft und trug ebenfalls eine gespannte Miene zur Schau.
    »Dieses Gebiet hier gilt als tabu«, begann Bill. »Nach dem, was ich inzwischen von dir erfahren habe, wohl nicht zu Unrecht. Die Bengalesen haben einen Höllenrespekt vor dieser Gegend, wenn es sogar diese ausgebufften Gangster nicht betreten wollten. Ich kann es ihnen nicht mehr verdenken nach allem, was ihr hier durchgemacht habt.«
    »Könntest du dich auf das Wesentliche beschränken?« fragte Zamorra. »Sieh mich an und nicht Nicole. Sie spielt ja jetzt kein unverhülltes Naturkind mehr.«
    »Leider«, meinte Bill Fleming mit einem verzagenden Hundeblick. Doch dann riß er sich zusammen.
    »Die Legende von den Tigermenschen ist älter als der ganze Hinduismus«, sagte er. »Sie ist anscheinend aus den ganz frühen Naturreligionen entstanden. Von der Urbevölkerung leben nur noch Reste. Im westlichen Teil von Bangladesh sind sie vollkommen ausgerottet. Nur Teile ihrer ehemaligen Magie scheinen die Zeiten überdauert zu haben. Ich spreche von den Mru. Das jetzige Regime versteckt sie gerne. Am liebsten wäre es ihm, wenn wir gar nichts von ihnen wissen, weil sie sich ihre Steinzeitkultur bewahren und so nicht zum Fortschrittsglauben der Regierung passen. Sie gelten als personifizierter Atavismus in diesem Land, aber ihre Magie scheint doch noch ziemlich in den Knochen der neuen Bengalesen zu stecken. Zumindest die Angst vor ihrer Magie.«
    Bill Fleming starrte selbstvergessen ins hochlodernde Feuer.
    »Khan Raf Shuk sprach von einem Mysterium, daß schon älter als 5000 sein soll. Das ist selbst für indische Verhältnisse eine ganze Menge. Die Sage erzählt, daß die Mru von den nachdrängenden Indogermanen in die unzugänglichsten Gebiete vertrieben wurden. Hier muß irgendwann einmal das Zentrum ihres letzten Widerstandes gewesen sein. Die Priesterkaste hatte sich hierher geflüchtet. Doch inzwischen gibt es keine Mru mehr im Gangesdelta. Nur die Tigermenschen sind geblieben.« Bill legte eine kurze Pause der Sammlung ein.
    »Die Magie dieser Kaste muß ihr irgendwann einmal über den Kopf gewachsen sein. Ihre Dämonen machten sich selbständig und sorgten ihrerseits für die Ausrottung der letzten Reste der Mru. Nur wer sich dem Tigergott weihte, war geschützt. Aber diejenigen, die sich dafür hergaben, schienen nicht sehr glücklich darüber gewesen zu sein. Sie lehnten sich gegen ihre Gottheit auf und wurden nach Khan Raf Shuks Worten fürchterlich dafür bestraft. Sie sind bis in die Jetztzeit gezwungen, ein Schattendasein zu führen und Nachwuchs für ihren Dämon zu rekrutieren. Sie können die Gestalt von Menschen annehmen, aber meist streichen sie rastlos als Raubkatzen durch den Dschungel. Ohne jede Chance, jemals erlöst zu werden. Das machte sie der Legende nach böse und neidisch gegen die Irdischen. Sie fallen über sie her, zerfetzen und fressen sie. Aber man kann sie nicht töten. Deshalb wagt noch heute kein Bengalese, seinen Schritt in dieses Gebiet zu setzen. Ich glaube, das war’s wohl, mein Freund. Mach dir selbst einen Reim darauf. Ich jedenfalls bin mit meinem Latein am Ende.«
    Zamorra hatte die Augen geschlossen. Die Legende von den Tigermenschen war keine. Sie barg Wahrheiten in sich. Soviel stand fest. Doch Bills Schilderung hatte ihn keinen Deut weitergebracht. Ihr fehlte der metaphysische Hintergrund. Ein Hinweis auf die Tür, die man aufstoßen mußte, um in Kontakt zu diesen Tigermenschen zu kommen.
    Und noch etwas irritierte ihn.
    Er zweifelte nicht daran, daß es in der Vergangenheit etliche mysteriöse Todesfälle gegeben hatte. Menschen waren zerrissen und aufgefressen worden.
    Doch warum hatte man ausgerechnet sie verschont?
    Wegen des Amuletts?
    Zamorra konnte sich keinen Reim darauf machen. Er war nur unwesentlich weiter als vorher. Womöglich hatten seine bisherigen unbeantworteten Fragen sogar noch
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