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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wie die Schlacht ausgegangen war, bevor die Krieger Hjalmars die Stadtmauern erreichten. Die Berichte von der Grenze ließen nicht erwarten, dass sie beim Gesinde des Königs Gnade walten lassen würden. Es war ein weiteres Gesetz des Krieges - töte viele, um die Furcht aller zu erreichen. Kein Kriegsherr hatte die Zeit, sich den Respekt eines besiegten Volkes zu verdienen. Er musste mit Schrecken regieren, bis lähmende Gewöhnung die Bevölkerung müde machte, bis die Sorge um Vieh und Feld mehr wog als um den rechtmäßigen König.
    Die Pferde trabten nun langsam genug, dass Sieglinde mit Laurens sprechen konnte. »Wer ist dieser Regin, von dem Siegmund gesprochen hat?«, fragte sie.
    »Man sagt, er sei ein Nachkomme einer der Schmiede, die Nothung aus dem Atem Odins schlugen. Er war lange Jahre Waffenmeister von Siegmunds Vater. Als Hendrik abdankte, verließ Regin Xanten. Nur wenige Menschen wissen, wohin er ging.«
    Sieglinde senkte ihren Kopf ein wenig, um nicht von niedrig hängenden Zweigen getroffen zu werden. »Und wir können ihm vertrauen?«
    Trotz der Gefahr, in der sie sich befanden, hielt Laurens sein Pferd an und sah seiner Königin ernst in die Augen. »Von diesem Tage an dürft Ihr niemandem mehr trauen, hört Ihr? Euer Leben, Eure Vergangenheit - es wird eine Lüge sein, die Ihr von Herzen kommend erzählen müsst. Jede edle Seele, die Euch begegnet, wird von dem Gold, das Hjalmar auf Euren Kopf aussetzt, in Versuchung geführt. Und Ihr habt nicht mehr die Möglichkeit, Loyalität als Gegengewicht in die Waagschale zu legen.«
    Sieglinde wollte etwas einwenden, aber Laurens war noch nicht fertig. »Sollte der Tag kommen, an dem Ihr allein überleben könnt - dann müsst Ihr Regin in der Nacht darauf die Kehle durchschneiden. Sein Nutzen ist dann geringer als die Gefahr, die sein Wissen darstellt.«
    Er wartete nicht einmal ab, ob sie etwas erwidern wollte, sondern trat seinem Pferd in die Flanken.
    Die Königin, die nun keine mehr war, folgte ihm. Dabei überlegte sie, ob auch Laurens ein Mitwisser war, dessen es sich zu entledigen galt. Laurens selbst hatte sich diese Frage schon beantwortet.
     
    Der Rhein führte viel Wasser in diesen Wochen. Breit und träge wälzte er sich nordwestlich auf das Meer zu. Die vielen kleinen Nebenarme, in denen das Wasser lange stand, versorgten ihn mit einem weichen fauligen Geruch, der als leichter Dunst über der Oberfläche waberte.
    Es gab keinen Fluss weit und breit, der vergleichbar viele Aufgaben erfüllte und so viel zur Entstehung der angrenzenden Königreiche beigetragen hatte. Handelsgüter aus Rom und Byzanz wurden mit Hilfe von großen Flößen auf dem Strom bis zum Meer getrieben, wo Schiffe den Transport in die Nordländer übernahmen. Es gab üppige Weinberge an seinen Tälern am Oberlauf, und ihr vergorenes Gold galt dem der Franken als ebenbürtig.
    Der Rhein verband Reiche wie eine flüssige Straße, die nicht durch Krieg oder Heimtücke eingenommen werden konnte. Wer den Rhein blockierte, stoppte das Herzblut des eigenen Landes. Auch aus diesem Grund hatte es zwischen Xanten und Burgund seit Generationen keinen Krieg mehr gegeben.

    Aber die Quellen des Rheins speisten nicht nur das Flussbett mit Wasser, sondern auch die langen Winterabende mit Legenden. Es gab Geschichten sonder Zahl, und Sieglinde hatte viele davon von ihrer Mutter gehört. Da war die junge Maid, die auf einem Felsen nahe einer Flussbiegung saß und deren betörende Schönheit den Schiffern Unheil verhieß. Oder die Schätze, die von den wässernen Jungfrauen im Rhein eifersüchtig bewacht wurden. Manchmal warfen Händler, wenn sie die Nähe der Nymphen zu spüren glaubten, Opfergaben über Bord. Diese wurden dann von den Jungen aus den anliegenden Dörfern mit großer Geschicklichkeit wieder an die Oberfläche geholt, wenn die Schiffe außer Sichtweite waren.
    Und natürlich die Nibelungen. Ihnen gehörten weite Teile von Odins Wald, nördlich von Worms und westlich von Mainz. Das heißt, natürlich gehörte ihnen der Wald nicht. Sieglinde hatte das Glück gehabt, mit einem wachen Geist gesegnet zu sein, und sie wusste, dass die Geschichten von den Nibelungen, jenen sagenhaften Zwergen aus der Zeit vor der Zeit, nur brüchige Schauermärchen waren, deren Locher mit immer neuen Hirngespinsten gestopft wurden.
    Das war nicht verwunderlich - Odins Wald war dicht und schwer zu durchqueren. Schon die Römer hatten vor Jahrhunderten die Wasserstraße bevorzugt, um die
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