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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Herrscherin auf Augenhöhe anzusprechen.
    Dann nickte er. »Line.«
    Die Schreie vom Schlachtfeld kamen immer näher, und es war nur noch eine Frage von wenigen Augenblicken, bis Hjalmars Krieger das Lager erreicht haben würden. Mit seinem Schwert durchschnitt Laurens die Rückseite des Zelts und bedeutete Sieglinde hindurchzuschlüpfen.
    Sie fanden sechs Pferde, mit Decken überworfen und dem ledernen Zaumzeug aneinander geknotet. Laurens wählte zwei, die graubraun wie die aufgewühlte Erde waren. Er hielt Sieglinde seine schwielige rechte Hand hin, damit sie leichter auf den Rücken ihres Tieres aufsteigen konnte, doch sie schüttelte nur knapp den Kopf und saß binnen eines Herzschlags hinter der Mähne.
    Sie mussten die Ebene schnell hinter sich lassen, damit die Dänen nicht merkten, dass die Königin von Xanten floh. Der Weg zum Fluss hinab hätte sie noch ein paar hundert Schritte an den Ausläufern des Kampfes entlang geführt. Daher ritten sie zuerst vom Schlachtplatz weg, gen Osten.
    Kaum hatten sie die Zelte hinter sich gelassen, war der Weg frei, und sie konnten die Pferde zu einem wilden Galopp antreiben. Kein Krieger aus Xanten versuchte, sich aus der verlorenen Schlacht davonzustehlen, sein Leben nicht dem Land zu opfern.
    Für einen Moment fragte sich Sieglinde, ob es auch ihre Pflicht gewesen wäre, an der Seite Siegmunds zu sterben. Sie hatte ihm Treue bis in den Tod geschworen - und darüber hinaus.
    Nein! Ihr Tod hätte keinen Gewinn bedeutet, nur einen weiteren Kopf für die Speerspitzen der dänischen Horden. Sie musste leben, und sei es nur für die Rache.
    Langsam gab das Tageslicht der Welt ihre Farben zurück. Sieglinde war bereits im Sattel gesessen, noch bevor sie laufen konnte. Trotz ihrer zarten Gestalt führte sie das Tier fest und entschlossen. Auch Laurens war nicht anzumerken, dass ihn der Verlust seines Arms behinderte. Seine rechte Hand packte das Zaumzeug fest, und der Stumpf des linken Arms hielt kreisend die Balance des drahtigen Körpers.
    Obwohl Sieglinde es versuchte, gelang es ihr nicht, sich mit der bevorstehenden Reise zu befassen. Ihre Gedanken schweiften immer wieder zu Siegmund.
    Sie hatte gehört, dass manche Frauen einen Stich im Herzen spürten, wenn der Gatte auf dem Schlachtfeld starb. Aber das war Weibergeschwätz, naives Gerede von Hofdamen, denen die Barden mit ihren Liedern den Kopf verdreht hatten.
    Sieglinde wusste auch, dass Siegmund mittlerweile tot war. Es war keine Eingebung, kein Gesicht. Es war die schlichte Erkenntnis, dass Xantens Heer hoffnungslos unterlegen war und dass der Tod des Königs für Hjalmar der einfachste Weg war, das Ende des Waffengangs zu erreichen.
    Der schneidende Wind trocknete die Tränen, die der Königin über die Wangen liefen. Sie dachte daran, die Götter um Hilfe anzurufen. Aber wo waren die Götter in den letzten Monaten gewesen? Entbehrte Xanten nicht schon lange ihrer Gunst? Die Niederlage konnte kein Zeichen von Odins Gerechtigkeit sein. Wenn die Götter von diesem Krieg wussten, dann waren sie missgünstig und niederträchtig, weil sie ihn zuließen.
    Vielleicht hatte Henna aber Recht. Henna war eine von Sieglindes Hoffrauen, und vor kurzem hatte die Königin sie beim Beten ertappt - mit einem Kreuz!
    Sieglinde war es einerlei, welchen Göttern Henna ihre Gebete schickte. Aber in dem Schwall der Worte, mit dem sie ihren neuen Glauben verteidigt hatte, waren Sieglinde viele wunderliche Dinge zu Gehör gekommen.
    Der Gott der . . . Christen, so nannten sie sich wohl - er war allumfassend. Und vergebend. Er suchte nicht Vergeltung für die Fehlbarkeit der Menschen. Seine Gnade war nicht Willkür, sondern Versprechen. Sein Reich war ein Reich des Friedens, in dem nicht die Krieger mit Met und Jungfrauen empfangen wurden, sondern die Gerechten.
    Ein kurzer, scharfer Pfiff von Laurens riss Sieglinde aus ihren Gedanken. Mit dem Kopf deutete der Soldat nach Süden. Sie hatten den Rand des Waldes erreicht, durch den ein halber Tagesritt nach Xanten führte. Doch sie würden die von Karren und Hufen festgetretenen Wege nun verlassen und sich durch das Gehölz in Richtung Rhein vortasten. Sieglinde war froh, dass der Tag anbrach. Wenigstens konnten sie im Morgenlicht im sanften Trab verbleiben, wo sie sich des Nachts dem vorsichtigen Schritt der Pferde hätten beugen müssen.
    Sieglindes Hände verkrampften sich im Zaumzeug, als sie daran dachte, dass die Bewohner der Burg vermutlich nicht einmal rechtzeitig erfahren würden,
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