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01 Arthur und die vergessenen Buecher

01 Arthur und die vergessenen Buecher

Titel: 01 Arthur und die vergessenen Buecher
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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das andere.
    Auf einem großen Holztisch stapelten sich Kabel und alle möglichen elektronische Bauteile: große und kleine Platinen, Transistoren, zwei auseinandergenommene Computer, ausgeschlachtete Radios und vieles mehr. Unter dem Fenster befand sich ein Bett voller Stofftiere, auf beiden Seiten flankiert von einem E-Piano und einer elektrischen Gitarre. Der Rest des Raums war vollgestellt mit diversen Geräten, darunter ein riesiges Teleskop, ein Heimtrainer und ein Mikrofon auf einem Ständer, an dem ein Gürtel mit sechs verschiedenen Mundharmonikas hing.
    Ich wusste gar nicht, wohin ich zuerst sehen sollte. »Warum bist du eigentlich nie im Buchladen?«, fragte ich sie, mehr aus Verlegenheit als aus wirklicher Neugier.
    »Ooch, ich bin nicht so scharf aufs Lesen«, erwiderte sie, während sie die Schlange von ihrer Schulter hob und sie ins Terrarium gleiten ließ. »Außerdem habe ich hier im Haus alles an Büchern, was ich brauche – wie du unschwer erkennen kannst.« Ihre Stimme schien mir einen bitteren Unterton zu haben.
    »Aber was machst du dann so, wenn du keine Schule hast?« Ich konnte damals noch nicht verstehen, warum jemand, der in einem Haus voller Bücher aufwächst, mit Büchern nichts anfangen kann.
    Sie lachte. »So eine Frage kann auch nur ein Bücherwurm wie du stellen. Bücher sind nicht der einzige Weg, etwas über die Welt zu erfahren. Nimm zum Beispiel Misia.« Sie deutete auf die Schlange, die sich mittlerweile in ihrem Terrarium zusammengerollt hatte. »Indem ich sie beobachte, lerne ich mehr über das Verhalten von Schlangen als du aus all deinen Büchern.«
    »Das ist nicht wahr!«, protestierte ich. »Du siehst vielleicht, wie deine Schlange sich verhält, weißt aber nicht, warum sie bestimmte Dinge tut. Dazu brauchst du Bücher.«
    Larissa zuckte mit den Schultern. »Bisher bin ich ganz gut ohne ausgekommen.« Sie fasste mich am Arm und zog mich zu dem Tisch mit dem Elektronikkram.
    »Sieh mal her! Ich konstruiere gerade einen SETI-Modulator.«
    »Aha.« Ich nickte verständnislos.
    »Du kennst doch SETI? Die Suche nach außerirdischen Lebewesen? Mit meinem Modulator kann ich Radiosignale, die aus dem Weltraum auf der Erde eintreffen, filtern und feststellen, ob sich darunter Botschaften an uns verbergen. Komm her, ich zeig’s dir.«
    Was folgte, war ein zweistündiger Vortrag über Radiofrequenzen, schwingende Harmonien (dazu benutzte sie die Gitarre), nonverbale Verständigung von Reptilien untereinander sowie die Anwendung dieses Prinzips auf die Filterung von Radiosignalen und was weiß ich noch. Außerdem erfuhr ich nebenbei noch, dass
     
sie die Enkelin des Bücherwurms war
ihre Eltern vor acht Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen waren und sie seitdem bei ihrem Großvater lebte
sie nur unregelmäßig zur Schule ging und
zwölf Jahre alt war.
    Als wir danach in der Wohnküche beim Abendbrot saßen, schwirrte mir der Kopf wie selten zuvor. Wie konnte jemand nur so viel reden? Selbst beim Essen stand ihr Mund nicht still. Sie quetschte mich aus, fragte nach meiner Familie, meinen Lehrern in der Schule, meinen Hobbys und tausend anderen Sachen. Ich war froh, als der Bücherwurm mich nach dem Essen zu sich in sein Arbeitszimmer winkte.
    Er dirigierte mich zu einem alten, abgewetzten Ledersessel und bedeutete mir, Platz zu nehmen.
    »Hättest du nicht Lust, mir in den Sommerferien zwei oder drei Wochen im Buchladen zu helfen und dir ein wenig Taschengeld zu verdienen?«
    Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, was er mir da vorschlug. Ihm zu helfen und dafür noch Geld zu bekommen, klang mehr als verlockend, da ich sowieso einen Großteil meiner Freizeit in seinem Laden verbrachte. Außerdem fühlte ich mich geehrt, ein solches Angebot von ihm zu bekommen.
    »Ja klar ... gerne ... darüber freue ich mich ...«, stammelte ich.
    »Es ist allerdings eine Bedingung daran geknüpft«, fuhr er fort. »Ich möchte, dass du während dieser Zeit hier bei mir wohnst. Du bekommst natürlich dein eigenes Zimmer; wie du gesehen hast, haben wir hier genug Platz. Und nach der Arbeit könntest du ja vielleicht etwas mit Larissa unternehmen. Sie hat keine Freunde und da wäre es ganz gut, wenn sie mal ein wenig Gesellschaft bekommt.«
    Was sollte ich darauf antworten? Natürlich wollte ich gern beim Bücherwurm arbeiten. Andererseits war ich mir nicht so sicher, ob ich Larissa wirklich mochte. Sie war so anders als ich. Die Vorstellung, drei Wochen lang die Abende mit ihr verbringen
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