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01 Arthur und die vergessenen Buecher

01 Arthur und die vergessenen Buecher

Titel: 01 Arthur und die vergessenen Buecher
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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Gebiet bestens auszukennen, und das gab mir zu denken. Mit einem Mal schämte ich mich für meine Nachforschungen. Der Bücherwurm war immer freundlich und hilfsbereit mir gegenüber gewesen. Und als Dank dafür hielt ich ihn für einen Verbrecher? Aber der Zweifel, der sich in meinem Kopf festgesetzt hatte, war nicht mehr so einfach zu vertreiben.
    Ich schaltete den Rechner aus und ging zu Bett, wo ich bald in einen unruhigen Schlaf fiel.
    Am nächsten Tag schlief ich bis neun Uhr, frühstückte leise zwei Joghurts, um Larissa nicht zu wecken (sie hatte die unangenehme Eigenschaft, direkt nach dem Aufstehen schon hellwach zu sein und zu reden wie ein Wasserfall, was ich als eingeschworener Morgenmuffel nur schwer ertragen konnte) und machte mich auf den Weg zur Buchhandlung. Der Bücherwurm war wohl, wie immer, früh aus dem Haus gegangen. Meistens saß er morgens um sieben schon in seinem Laden und sortierte neu angekommene Bücher.
    Das Geschäft war noch leer. Morgens war fast nie etwas los im Laden, und nachmittags war es auch nicht viel besser. Ich fragte mich zum wiederholten Mal, wovon der Bücherwurm wohl leben mochte. Von den Einnahmen aus dem Bücherverkauf sicherlich nicht.
    Ich stieß die Tür auf und trat ein. Der Bücherwurm war nirgendwo zu sehen. Vielleicht war er im Hinterzimmer bei seinen alten Folianten. Dann würde er sicher gleich auftauchen, denn das Bimmeln der Türklingel konnte man auch dort hören.
    Ich ging zum Büchertisch in der Mitte des Raums und blätterte in einem Bildband über die Antarktis, während ich auf sein Erscheinen wartete. Sonst kam er beim Geräusch der Türglocke stets innerhalb von wenigen Sekunden aus seinem Zimmer hervor, aber diesmal brauchte er ungewöhnlich lange. Als er auch nach fünf Minuten noch nicht aufgetaucht war, wurde ich unruhig. Ich musste an den seltsamen Besucher gestern denken, und ein ungutes Gefühl beschlich mich. Es war das Paternoster-Gefühl: Du weißt, es gibt keine Monster, die dich aus dem Fahrstuhl reißen, aber tief in deinem Inneren bleibt immer ein Rest von Zweifel.
    Ich legte das Buch weg und ging langsam zur Theke. Wahrscheinlich ist er nur eingeschlafen, versuchte ich mich zu beruhigen. Er ist ein alter Mann, und da kann man schon einmal wegnicken. Dumm nur, dass ich den Bücherwurm noch nie ein Nickerchen hatte machen sehen. Aber irgendwann ist ja immer das erste Mal, redete ich mir ein, während ich vorsichtig um die Theke herumging.
    Alles sah so aus wie immer. Auf dem Boden stand ein halb geleerter Karton Bücher; der dazugehörige Lieferschein lag auf der Theke. Hinter die Titel, die bereits ausgepackt waren, hatte der Bücherwurm ein kleines Häkchen gemalt. Warum hatte er diese Arbeit unterbrochen? Ob er vielleicht auf der Toilette war? Das musste es sein! Das erklärte auch, warum er nicht sofort herauskam. Menschen in seinem Alter hatten ja oft Probleme mit der Verdauung, da konnte das schon mal ein bisschen länger dauern.
    Aber so sehr ich auch versuchte, mich von der Harmlosigkeit der Situation zu überzeugen, es gelang mir nicht. Auf Zehenspitzen näherte ich mich dem Hinterzimmer. Vorsichtig beugte ich mich vor und legte das Ohr an die Tür. Nichts. Oder – war da nicht was? Ein leises Geräusch, so wie ein Rascheln? Was sollte ich tun?
    Ich fasste mir ein Herz und klopfte an die Tür. Dann trat ich schnell einen Schritt zurück.
    Nichts passierte. Etwas mutiger geworden, klopfte ich ein zweites Mal. Dabei rief ich leise: »Herr Lackmann?«
    Diesmal war ich mir sicher, dass es hinter der Tür raschelte. Mit ausgestreckter Hand berührte ich die Türklinke und drückte sie vorsichtig nach unten. Die Tür schwang mit einem leisen Quietschen auf und – gab den Blick frei auf den Bücherwurm, der auf dem Boden lag, die Hände und Füße gefesselt und um den Mund ein Tuch gebunden. Er starrte mich aus weit aufgerissenen Augen an und wackelte mit dem Kopf. Schnell trat ich zu ihm, bückte mich und befreite ihn von dem Knebel. Kaum war das Tuch ab, da spuckte er hustend ein Stoffknäuel aus, das in seinem Mund gesteckt hatte.
    »Endlich«, keuchte er. »Ich dachte schon, ich muss hier drin verrecken.« Er dreht sich mühsam auf den Bauch. »Bind mir die Hände los, Junge!«
    Der Knoten um seine Handgelenke war nicht so einfach zu lösen wie der seines Knebels. Ich mühte mich eine Weile vergeblich ab. »Nimm die Schere aus der Schublade«, wies der Bücherwurm mich an. Die Schere war groß, und ich hatte Angst, ihn zu
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