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01 Arthur und die vergessenen Buecher

01 Arthur und die vergessenen Buecher

Titel: 01 Arthur und die vergessenen Buecher
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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befand. Er hatte ihr das genommen, was sie mehr als alles in der Welt begehrte.
    Und er wusste, dass er von nun an eine Feindin auf Lebenszeit hatte.

Der Bücherwurm

    Mein Name ist Arthur.
    Und ich bin kein Held.
    Auch wenn andere wie Larissa oder der Bücherwurm das Gegenteil behaupten – ich weiß es besser.
    Ich bin nur ein vierzehnjähriger Junge, der gerne Bücher liest, ab und an eine Runde am PC zockt, gern Linkin Park hört und sich abmüht, in der Schule die Kurve zu kriegen.
    Aber ich bin kein Held.
    Um das zu verstehen, müsst ihr meine Geschichte kennen. Und die beginnt mit dem Bücherwurm.
    Meine früheste Erinnerung an den Bücherwurm reicht zurück bis in jene Zeit, als ich noch den Kindergarten besuchte. Es war ein herrlicher Sommertag. Mein Vater hatte einen Tag frei und ich durfte ihn in die Stadt begleiten. Wir unternahmen all das, was Väter so mit ihren fünfjährigen Söhnen machen: Wir aßen ein Eis, fütterten die Enten auf dem kleinen Teich hinter dem Rathaus und fuhren zehn Mal im Paternoster des Rathauses in der Runde.
    Vielleicht sollte ich euch den Paternoster kurz beschreiben, denn heute gibt es nur noch eine Handvoll davon. Ein Paternoster ist ein Aufzug, der nie anhält. Das klingt vielleicht komisch, denn wie soll man da ein- oder aussteigen? Nun, ganz einfach: Ein Paternoster hat keine Türen und fährt ganz langsam. Er besteht im Grunde aus einer Reihe aufeinandergestapelter Holzkästen, die sich langsam den Aufzugschacht empor schieben, im Keller und Dachgeschoss die Richtung wechseln und im benachbarten Schacht wieder nach unten oder oben fahren. In jedem Stockwerk hat man zwei oder drei Sekunden Zeit, um in einen der Kästen ein- oder daraus auszusteigen.
    Ich weiß noch, welche Angst ich hatte, als mein Vater mir zum ersten Mal vorschlug, mit dem Paternoster durchs Dachgeschoss auf die andere Seite zu fahren. Ich stellte mir die schlimmsten Dinge vor, die dort oben passieren könnten: Ein großes, eisernes Rad, das mich zerfetzte; dunkle Gestalten, die mich aus dem Kasten herauszerrten und andere schreckliche Sachen. Aber mein Vater versicherte mir, es sei alles ganz harmlos, und so fasste ich seine Hand und drückte die Augen ganz fest zu, als unser Kasten das oberste Stockwerk passiert hatte und weiter hochfuhr.
    Das leise Rumpelgeräusch, das so typisch ist für den Paternoster, wurde stärker und ich wünschte mir noch eine Extrahand, um mir auch die Ohren zuhalten zu können. Als ich meine Augen wieder öffnete, waren wir bereits auf dem Weg nach unten – und lebten beide noch.
    Wir blieben in der Kabine stehen und fuhren weiter bis ganz nach unten ins Kellergeschoss, und dieses Mal ließ ich meine Augen offen. Viel zu sehen gab es nicht. Der Paternoster rumpelte ein Stück weiter nach unten, dann bewegte er sich nach links (vor uns war im Dämmerlicht unserer Kabinenbeleuchtung die ganze Zeit nur eine langweilige Mauer zu sehen), um schließlich wieder hochzufahren. Das war alles.
    Seitdem habe ich immer wieder alleine im Paternoster meine Runden gedreht, und obwohl ich wusste, dass dort oben oder unten niemand lauerte, beschlich mich doch vor jeder neuen Umrundung immer noch ein komisches Gefühl, denn schließlich könnte ja dieses Mal alles anders sein und tatsächlich ein dunkles Monster auf diejenigen warten, die glaubten, ihr Schicksal herausfordern zu müssen.
    Nach der Paternosterfahrt spazierten wir durch die Stadt, bis wir einen kleinen Buchladen erreichten, der in einer Seitenstraße versteckt war. Ich kann mich noch genau daran erinnern, denn es war das erste Mal, dass ich den Laden des Bücherwurms betrat. Der Raum war, wie gesagt, nicht groß, aber voll . Jeder noch so kleine Fleck war mit Tischen oder Regalen zugestellt, und selbst in den wenigen Zwischenräumen lagen noch Stapel von Büchern auf dem Boden. Nur direkt am Schaufenster gab es eine größere Lücke; hier waren die Kinderbücher eingeordnet, mit einem kleinen Stuhl davor, auf dem die jungen Leser in Ruhe schmökern konnten.
    Am Ende des Raums saß ein Mann hinter einer Theke, die ebenfalls mit Büchern bedeckt war. Er blickte auf, als die Türklingel unseren Besuch ankündigte.
    Das war der Bücherwurm.
    Der Bücherwurm war bereits ein alter Mann, als ich ihn das erste Mal traf. Zumindest lebt er so in meiner Erinnerung, denn heute weiß ich natürlich, dass einem Fünfjährigen jeder Mann, der die Vierzig überschritten hat, alt vorkommt. Vielleicht war er damals also erst 50 oder 55 Jahre
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