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01 Arthur und die vergessenen Buecher

01 Arthur und die vergessenen Buecher

Titel: 01 Arthur und die vergessenen Buecher
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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roter Zeichen eingelassen, die keinen bekannten Buchstaben glichen. Am ehesten, so fand der Mann, ähnelten die Zeichen der Keilschrift der Babylonier.
    Ehrfurchtsvoll strich die Frau mit der Hand über das Buch. Das Herz des Mannes klopfte bis zum Hals. Über acht Jahre hatten sie gearbeitet, um diesen Moment zu erleben. Und jetzt war es Wirklichkeit geworden! Sie hatten das Buch gefunden, nach dem so viele andere seit Jahrhunderten vergeblich gesucht hatten!
    Die Frau kehrte zuerst in die Gegenwart zurück. »Steck es ein und dann nichts wie weg.« Sie wickelte das Buch wieder in das Ledertuch, und der Mann verstaute es vorsichtig in seiner Umhängetasche.
    Ein Windstoß fuhr durch die Tür der Kapelle. Der Mann zuckte zusammen, denn es war, als streiche ihm eine eiskalte Hand über sein Gesicht. Zugleich ertönte ein gespenstisches Quietschen. Er richtete den Strahl der Taschenlampe in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Es war der Käfig unter der Decke. Der Windstoß musste ihn in Bewegung versetzt haben, denn er schaukelte leicht quietschend hin und her.
    Auch der Frau war die Sache nicht ganz geheuer. Der Käfig warf wechselnde Schatten auf die Wände der Kapelle, die sich auf die beiden Eindringlinge zuzubewegen schienen.
    Mit großen Schritten liefen die beiden zur Tür. Der Mann erwartete, jeden Augenblick von einem der dunklen Schatten gepackt und zurückgerissen zu werden. Aber er und seine Begleiterin erreichten unbeschadet den Ausgang und eilten den Bergpfad zum Dorf hinab.
    Das Wolfsgeheul war verstummt. Merkwürdig gezackte Wolken jagten vor dem blassen Mond her. Mehrfach mussten die beiden anhalten, weil der Weg im flackernden Mondlicht nicht mehr genau zu erkennen war.
    Schließlich erreichten sie die Straße, die zurück ins Dorf führte. Der Mond war inzwischen fast völlig von dunklen Wolken verdeckt. Vom Dorfrand her versuchte eine einsame Straßenlaterne vergeblich, die Nacht aufzuhellen.
    »Du wartest hier«, sagte die Frau. »Ich hole den Wagen. Es wäre zu gefährlich, mit dem Buch durchs Dorf zu gehen.« Mit diesen Worten verschwand sie im Dunkel.
    Der Mann ließ sich seufzend auf einem Felsen am Straßenrand nieder. Nervös blickte er über die Schulter auf den Bergpfad zurück. Er wurde das Gefühl nicht los, dass ihnen jemand von der Kapelle gefolgt war. Aber er konnte in der Dunkelheit weder etwas sehen noch hören.
    Die Begeisterung, die ihn bei der Entdeckung des Buches ergriffen hatte, war völlig verschwunden. Acht lange Jahre der Vorbereitung – und jetzt, da sie ihr Ziel erreicht hatten, verspürte er nur eine tiefe Müdigkeit. In seiner Tasche befand sich ein Buch, dessen Inhalt den Lauf der Weltgeschichte verändern konnte. Doch der Mann sah nur das vor Gier verzerrte Gesicht seiner Begleiterin vor sich. In den letzten Monaten hatte er erfahren müssen, wie skrupellos sie handeln konnte, wenn sich ihr jemand in den Weg stellte. Wie würde das erst sein, wenn sie über die Macht des Buches verfügte?
    Wollte er auch so werden? Waren Macht und Reichtum es wert, ihnen das eigene Leben und vielleicht das vieler anderer zu opfern? Natürlich hätte er gerne die Geheimnisse des Buches entschlüsselt. Aber es war Unrecht, es den Dorfbewohnern zu stehlen. Und in den Händen seiner Begleiterin konnte es zu einer furchtbaren Waffe werden.
    Mit einem Mal wusste er, was er zu tun hatte.
    Wenige Minuten später hörte er das Tuckern des Automotors. Die Frau steuerte den Wagen ohne Licht. Sie hielt den kleinen Citroën genau vor ihm an und stieß die Beifahrertür auf. Der Mann reichte ihr seine Umhängetasche und wollte gerade selbst einsteigen, als sie aufs Gaspedal trat und das Auto mit aufheulendem Motor um die Kurve verschwand.
    Der Mann war durch den plötzlichen Start des Autos aus dem Gleichgewicht geraten und auf die Straße gefallen. Er richtete sich auf und klopfte sich den Staub von seiner Hose. Dann seufzte er erneut: Sie hatte also von Anfang an vorgehabt, das Buch für sich allein zu behalten und ihn zurück zu lassen. Wer die Weltherrschaft anstrebte, teilte eben nicht gern mit anderen.
    Die Wolken hatten den Mond wieder freigegeben. Der Mann warf noch einen letzten Blick in Richtung des verschwundenen Autos. Dann machte er sich langsam auf den Weg ins Dorf.
    Versteckt unter seiner Jacke, spürte er das raue Leder des Buches auf seiner Haut. Die Frau würde sicher bald bemerken, dass sich in der Tasche auf dem Beifahrersitz bloß ein in Stoff gewickeltes Holzstück
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