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01 Arthur und die vergessenen Buecher

01 Arthur und die vergessenen Buecher

Titel: 01 Arthur und die vergessenen Buecher
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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richtigen Preis zu bezahlen«, erklärte er. »Und von dem ich das Gefühl habe, er weiß zu würdigen, was ich ihm anbiete.«
    Ich blickte ihn fragend an. Er zupfte seine verbeulte dunkelgrüne Cordhose zurecht, als ob sie das wieder in Form bringen könnte.
    »Alte Bücher sind keine Ware wie jede andere. Sie sind Zeugen ihrer Zeit. Durch sie hören wir die Stimmen unserer Vorfahren, lernen ihre Gedanken kennen und nehmen an ihrem Leben teil. Deshalb muss man ihnen mit viel Respekt gegenübertreten. Wer zwar Geld hat, aber keinen Respekt, der ist in meinen Augen nicht würdig, sie zu besitzen.«
    Ich verstand nicht wirklich, was er damit meinte. Schließlich war ich damals auch erst sieben Jahre alt. Es sollte noch einige Zeit vergehen, bis ich den Sinn seiner Worte begriff.

    Als ich zwölf Jahre alt war, lud der Bücherwurm mich zum ersten Mal ein, ihn in seinem Haus zu besuchen. Er wohnte in einer großen alten Villa, nicht weit von seiner Buchhandlung entfernt.
    Wir hatten uns an einem Mittwochnachmittag verabredet, weil die Buchhandlung dann immer geschlossen war. Ich ging durch einen verwilderten Vorgarten, stieg drei bröckelnde Stufen zur Tür empor und drückte auf die einzige Klingel, die es gab.
    Wenige Sekunden später öffnete sich die riesige Holztür, und vor mir stand ein Junge, der vielleicht so alt sein mochte wie ich. Auf jeden Fall war er mindestens einen Kopf größer. Er hatte strubbelige schwarze Haare und trug einen verwaschenen Pullover, löchrige Jeans und ein Paar Turnschuhe, die schon bessere Zeiten gesehen hatten. Um seine Schultern lag eine ziemlich gefährlich aussehende dünne Schlange, die mir träge ihren Kopf entgegenstreckte. Er starrte mich an, ohne ein Wort zu sagen.
    »Ähm, bin ich hier richtig bei Lackmann?«, druckste ich herum und spürte, wie ich rot anlief, denn gerade war mir der Gedanke gekommen, dass ich mich vielleicht in der Hausnummer geirrt haben könnte. Außerdem traute ich der Schlange nicht. Sie sah so aus, als könnte sie jede Sekunde nach vorn schießen und ihre Fangzähne in meinen Hals bohren.
    Der Junge legte den Kopf schief und sagte: »Du bist Arthur.« Seine Stimme klang merkwürdig hoch. Er machte eine Handbewegung in Richtung der Schlange. »Das hier ist Misia. Sie tut dir nichts. Außerdem ist sie ungiftig. Komm rein!«
    Ich zögerte. Da hörte ich die Stimme des Bücherwurms aus dem Inneren des Hauses: »Wer ist das, Larissa? Ist das Arthur? Bring ihn rein!«
    Larissa? Das war doch kein Jungenname! Ich sah mein Gegenüber scharf an. Jetzt fiel mir auf, dass die Gesichtszüge etwas Mädchenhaftes hatten. Und dann die Stimme – ganz klar! Das war ein Mädchen! Wie konnte ich nur geglaubt haben, einen Jungen vor mir zu haben? Das Rot in meinem Gesicht bekam einen frischen Anstrich.
    Larissa hatte sich umgedreht und war im Flur hinter der Haustür verschwunden. Ich beeilte mich, ihr zu folgen, allerdings in sicherem Abstand zu der Schlange. Sie führte mich in einen großen Raum, der nur aus Büchern zu bestehen schien. An den Wänden zogen sich bis zur Decke Bücherregale hoch, und jeder freie Zentimeter auf dem Boden oder den Möbeln war mit hohen Bücherstapeln bedeckt.
    Der Bücherwurm hockte zwischen zwei Büchertürmen und sah kurz auf, als er uns eintreten hörte. »Ah, Arthur, schön, dass du da bist. Larissa hast du ja bereits getroffen. Sie kann dir das Haus zeigen. Ich muss noch ein paar Dinge erledigen.« Mit diesen Worten tauchte er wieder zwischen den Büchern ab.
    Ich stand etwas verloren da, denn ich hatte etwas anderes erwartet, als von einem Mädchen mit einer Schlange um den Hals herumgeführt zu werden. Aber ich konnte ja schlecht wieder gehen. »Klar«, sagte ich und: »Lassen Sie sich nicht stören«. Dabei hätte ich mich am liebsten zu ihm zwischen die Bücher gesetzt.
    Stattdessen ließ ich mich von Larissa durchs Haus führen. Bis auf die große Wohnküche, das Bad und das Schlafzimmer des Bücherwurms waren alle Räume im Erdgeschoss vollgestopft mit Büchern. Auch im ersten Stock sah es nicht anders aus. Hier befand sich auch Larissas Zimmer.
    Es war mindestens dreimal so groß wie mein eigenes und mindestens zehnmal so unaufgeräumt. In einer Ecke des Raums waren mehrere Terrarien übereinander gestapelt, in denen sich diverse Schlangen und Echsen tummelten. Eine weitere Ecke wurde von einer großen Staffelei mit einer halb bemalten Leinwand beherrscht. An der Wand dahinter lehnten Dutzende von Gemälden, eines wilder als
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