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0079 - Der Tyrann von Venedig

0079 - Der Tyrann von Venedig

Titel: 0079 - Der Tyrann von Venedig
Autoren: Richard Wunderer
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schmalen, hohen Wohnhäuser, der Palazzi und der Kirchen.
    Gleich darauf hörten die aus dem Schlaf aufgestörten Menschen ein lautes Klatschen aus dem Canale. Danach war es totenstill.
    Die Taubenschwärme ließen sich wieder auf Dächern und Türmen nieder, als wäre nichts geschehen. Im Canale jedoch trieb Paolo Sinas Leiche das Gesicht auf den Rücken gedreht…
    ***
    Die gesamte Reisegruppe stand an Deck des Linienschiffes, das durch den Canal Grande schipperte, als gäbe es den Begriff ›Eile‹ nicht in dieser hektischen Welt. Aber was soll’s, dachte ich, wir waren alle Urlauber und hatten Zeit. Nach außen hin wenigstens. In Wirklichkeit hielt ich Augen und Ohren offen und sah und hörte alles. Genau so verhielt sich meine Begleiterin Jane Collins, die hübscheste Privatdetektivin der Welt.
    Sie hatte meinem Angebot nicht widerstehen können, mit mir nach Venedig zu fahren. Jetzt lehnte sie an der Reling. Die Sonne ließ ihr goldenes Haar aufleuchten, das mich immer an reifen Kansas-Weizen erinnerte. Ihre Augen schimmerten wachsam und bekamen einen verlockenden Glanz, wenn sie mich zwischendurch ansah. Aber jetzt dachten wir an unsere Pflicht. Das private Vergnügen mußte noch warten.
    Wenn ich ihre Figur betrachtete, die sich unter der luftigen Bluse mit Blümchenmuster und der eng sitzenden Hose abzeichnete, dachte ich allerdings nicht nur an die Pflicht…
    Jane schob sich zwischen den teils müden, teils begeisterten Mitgliedern unserer zwanzig Personen starken Reisegruppe zu mir durch. »Ob wir die beiden nicht besser in London zurückgelassen hätten?« fragte sie und deutete auf Suko und Shao, die nur Augen füreinander hatten.
    »Wenn es hart auf hart geht, ist auf Suko immer Verlaß«, erwiderte ich und erinnerte mich an die Umstände, unter denen Suko seine Shao kennengelernt hatte. In Hongkong war das gewesen, als wir beide gegen den Gelben Satan kämpften, den Herrn der Ratten. Wir waren beide nur um ein Haar mit dem Leben davongekommen, und Shao wäre fast in die Klauen der Höllenmächte gefallen. Ich schauderte, wenn ich daran dachte. Doch nun waren Suko und sie ein glückliches Paar, und die beiden waren so unzertrennlich geworden wie meine Freunde Bill und Sheila Conolly. Nur daß Shao ihren Suko nicht an einer so kurzen Leine hielt wie Sheila ihren Bill.
    Die Sonne tat gut. Nach dem regnerischen Londoner Wetter ließ ich mich durchwärmen, während die Palazzi des Canal Grande gemächlich an uns vorbeizogen. Zwischendurch blinzelte ich nach vorne. Wir mußten bald unser Hotel erreichen.
    Da passierte es!
    Ich erkannte die Gefahr noch vor unserem Bootsführer. Ein Linienschiff kam uns entgegen. Von uns aus gesehen hätte es uns links passieren müssen, aber der schwere Pott hielt genau auf uns zu.
    Der Steuermann beugte sich weit aus dem Führerhaus. Das Boot war dadurch steuerlos!
    Auf dem Gesicht des Mannes malte sich unbeschreibliches Grauen ab! Ich warf einen Blick in das aufgewühlte Wasser des Canal Grande und entdeckte die Leiche eines Mannes.
    Im selben Moment gellte die Sirene unseres Schiffes auf, drängend und in einem ohrenbetäubenden Stakkato. Der schwere Dieselmotor heulte in den höchsten Touren. Das schmutzigbraune Wasser des Canal Grande schäumte hoch auf, als unser Bootsführer die Schraube rückwärts laufen ließ.
    Es nutzte nichts mehr.
    Mit einem nervenzerfetzenden Krachen und Knirschen bohrte sich das andere Schiff in unseren Bug.
    Ich wollte Jane festhalten, aber der Stoß riß mir die Beine unter dem Körper weg. Hilflos segelte ich durch die Luft.
    Ich sah das aufgewühlte Wasser auf mich zurasen und tauchte im nächsten Moment ein.
    ***
    Die Wellen schlugen über mir zusammen Ich hielt rechtzeitig die Luft an, tauchte und wollte zurück an die Oberfläche, als ich vor mir einen Mann stehen sah.
    Das Wasser des Canal Grande war trübe. Man konnte nicht die Hand vor den Augen erkennen. Diesen Mann jedoch sah ich so klar und deutlich, als waren wir beide in einem frisch gesäuberten Swimmingpool.
    Er stand aufrecht und mit beiden Beinen auf dem schlammigen Grund des Gewässers. Ein weiter schwarzer Umhang verhüllte seinen Körper. Auf dem Kopf trug er einen schwarzen Schlapphut, der sein Gesicht völlig verdeckte. Nur unter der Krempe leuchteten zwei bleiche Augen hervor.
    Der Schwarze Tod! schoß es mir durch den Kopf, doch das war nicht mein Erzfeind. Er sah ihm nur verteufelt ähnlich!
    Ich ruderte verzweifelt, um wieder an de Oberfläche zu kommen. Ich
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