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0079 - Der Tyrann von Venedig

0079 - Der Tyrann von Venedig

Titel: 0079 - Der Tyrann von Venedig
Autoren: Richard Wunderer
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Strohhut mit den bunten Bändern, eine schwarze Hose und ein rotweiß gestreiftes T-Shirt. Fehlte nur noch, daß er ›O sole mio‹ sang!
    Das tat er nicht, sondern er ließ den Motor singen, als wir aus dem Canal Grande hinaus auf die offene Lagune glitten. Joe Tarrant stand im vordersten Boot, hielt ein Megaphon in seinen Händen und gab Erläuterungen. Die Ladies hingen an seinen Lippen, während ich mir die Stadt ansah und den jungen Mann aufdringlich und laut fand.
    »Und nun fahren wir hinüber zum Lido, damit Sie die ganze Schönheit der Lagune genießen können!« verkündete er.
    Die Boote zeigten dem Markusplatz die Hecks, nahmen Fahrt auf und rauschten auf die langgezogene Lido-Insel zu, die Venedig vorgelagert ist. Linienschiffe begegneten uns, schwere Lastkähne, die tief im Wasser lagen, auch Gondeln waren unterwegs, jene schlanken, schwarzen Boote, die kaum das Wasser zu berühren scheinen und so zerbrechlich wirkten, als könnte die erste Welle sie zerschmettern.
    »Herrlich, diese Sonne«, murmelte Jane, schloß die Augen und lehnte sich gegen mich.
    Ich schlang meinen Arm um sie. Als es gerade schön zu werden begann, passierte es.
    Ich warf einen Blick zu der Stadt zurück, runzelte die Stirn und richtete mich im nächsten Moment steil auf.
    Jane löste sich von mir und beugte sich vor.
    »Da soll doch gleich…!« murmelte ich und griff nach meiner Beretta. Vorläufig ließ ich sie noch in der Schulterhalfter stecken.
    Aus einem Canale weitab des Touristenzentrums am Markusplatz schoß eine mächtige, schwarze Gondel. Sie war in einen Dunstschleier gehüllt, so daß ich nicht genau erkennen konnte, wer oder was sich auf diesem Schiff befand.
    Sie war wesentlich größer als die normalen Gondeln, mindestens doppelt so lang und pechschwarz. Hoch ragte der nach oben gezogene Bug in die Luft. Die Wellen spritzten gischtend nach beiden Seiten, als die schwarze Gondel durch das Wasser pflügte.
    Sie war viel schneller als unsere Moorboote. In der Mitte besaß sie einen Aufbau. Mehr sah ich nicht. Zähe Nebelschwaden umflossen das unheimliche Schiff.
    »Ein Satansschiff«, flüsterte Suko neben mir.
    »Die Gondel kommt direkt auf uns zu!« rief Jane.
    Ich wandte mich um. Niemand von der Reisegesellschaft schien etwas zu merken. Die Boote hielten noch immer Kurs auf den Lido. Tarrant trieb seine Späße mit den weiblichen Reisenden.
    »Vorsicht!« schrie ich, um den Motorenlärm zu übertönen. »Wir werden angegriffen!«
    Nur der Fahrer unseres Bootes drehte sich nach mir um. Ich deutete auf die schwere Gondel, die schon die halbe Strecke zwischen uns und der Stadt zurückgelegt hatte.
    Der Mann bekam Stielaugen, bekreuzigte sich und hechtete aus dem Boot ins Wasser. Auch eine Art, sich zu verabschieden.
    Mit einem Satz war ich am Steuer, schob mich auf den Sitz und ließ das Boot einen Bogen beschreiben. Es hatte keinen Sinn, wenn wir der schwarzen Gondel auswichen. Es mußte zum Kampf kommen, so oder so. Da war es schon besser, wenn ich Ort und Zeit bestimmte.
    Suko hatte die Beretta in den Händen, Jane die Astra. Suko drückte Shao auf den Boden unseres Bootes.
    »Da ist er!« schrie ich auf und deutete auf die Gondel. Der graue Nebel verzog sich. Deutlich erkannte ich in der Mitte des Schiffes den Unheimlichen, der mich im Canal Grande ersäufen wollte. »Das ist der Dämon! Den Schlapphut und den schwarzen Umhang hat er allerdings abgelegt.«
    Das Heck der Gondel war traditionsgemäß ebenfalls nach oben gezogen, so daß der Gondoliere hoch über dem Wasser stand.
    Wurde denn niemand auf diese Gondel des Grauens aufmerksam? Ich hämmerte die Faust auf den Hupknopf, daß es schaurig über das Wasser gellte, doch niemand scherte sich darum. Wir waren auf uns allein angewiesen.
    »John!« rief Jane Collins entsetzt.
    Die Gondel war jetzt so dicht heran, daß ich das Rauschen der Bugwelle deutlich hörte.
    Meine linke Hand lag am Steuerrad, die rechte am Gashebel. Der Motor tuckerte im Leerlauf.
    Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, daß unser Fahrer einen Lastkahn erreichte und an Bord kletterte. Der Kahn zog unbeirrt seine Bahn, als gäbe es die Geistergondel gar nicht.
    Dann war die Gondel heran.
    Ich drückte den Gashebel auf volle Kraft und riß das Lenkrad herum.
    Da! Die Bugwelle hob sich vor uns wie eine glitzernde Wand aus dem Wasser. Sie wollten uns rammen.
    Im nächsten Moment mußte es krachen!
    ***
    Ich legte das Boot in eine scharfe Kurve. Es war kein schnittiger Außenborder, sondern
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