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0066 - Todesgeister der Sahara

0066 - Todesgeister der Sahara

Titel: 0066 - Todesgeister der Sahara
Autoren: Richard Wunderer
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Nordafrika. Aber das bunte Treiben im Basar erinnerte mich an andere Städte, die ich bereits kennengelernt hatte, Kairo, um nur ein Beispiel zu nennen.
    Alia hatte uns zu einem Taxi gelotst, dessen Fahrer Hassan hieß und den Vorzug hatte, Alias Schwager zu sein.
    Hassan plauderte ununterbrochen und erklärte alles, leider auf Arabisch. Und Alia dachte gar nicht daran zu übersetzen.
    »Warum verraten Sie uns nicht, was Ihr Schwager sagt?« fragte Suko erstaunt.
    »Weil es uninteressant ist«, erwiderte sie schlagfertig. »Er spult nur den üblichen Sermon für Touristen herunter. Hassan!« rief sie scharf. Daraufhin verstummte unser Fahrer und raste doppelt so schnell zwischen den sorglosen Fußgängern auf den Straßen hindurch.
    »Der Basar!« Hassan schwenkte plötzlich von seiner Muttersprache auf Englisch um und warf seiner Schwägerin im Rückspiegel einen vernichtenden Blick zu. »Wenn Sie wollen, Mister, führe ich Sie gern persönlich.«
    »Das übernehme ich«, entgegnete Alia schnippisch. »Du zeigst den Leuten ja doch nur Lasterhöhlen.«
    Hassan versprach, auf uns zu warten. Wir zogen zu Fuß los, durchschritten einen der reich verzierten Tortürme und befanden uns in einer anderen Welt. Hatten wir uns bisher vorwiegend in dem europäisierten Teil von Tunis aufgehalten, so tauchten wir in das ursprünglichste Viertel ein. Handwerker saßen in ihren winzigen Läden und fertigten Schmuck und Ziergegenstände. Daneben boten Teppich- und Stoffhändler ihre Waren an. Von den Gewürzgeschäften gingen betörende Düfte aus. Näher und Schuster saßen im Freien und ließen sich bei der Arbeit beobachten.
    Der Abend wurde kühl. Im Basar mit seinen engen, teilweise überdachten Gassen spürte man das nicht so sehr. Trotzdem fröstelte ich.
    Alia bewegte sich in diesem unbeschreiblichen Gedränge mit der größten Selbstverständlichkeit. Überall flammten Kerosin- oder Campinggaslampen auf und verbreiteten warmen Lichtschein. Ich mußte mich zusammenreißen, um nicht dem Zauber des Orients zu verfallen und nicht treiben zu lassen. Das fiel mir allerdings nicht so schwer, als ich an Bill Conolly, meinen alten Kampfgefährten aus seligen Zeiten, und seinen Kollegen sowie an die ängstlich wartende Sheila dachte. Daheim in London war auch der kleine John, mein Patenkind. Wenn überhaupt noch etwas zu retten war, dann lag es an mir. Von diesem Moment an betrachtete ich alles wesentlich nüchterner.
    »Ich suche eine alte Bettlerin und Wahrsagerin«, erklärte uns Alia, blieb stehen und sah sich forschend um. »Tag für Tag treibt sie sich im Basarviertel herum. Und das seit Jahrzehnten. Jeder kennt sie, und sie kennt jeden.«
    »Himmel, wie wollen Sie in diesem Gewirr eine einzelne Person finden?« rief Suko entgeistert.
    Alia lächelte nur und sprach ein paar verschleierte Frauen an, die kurz stehenblieben und Unverständliches antworteten. Danach rief sie mehreren Händlern Grüße zu, fragte und erhielt Auskunft.
    Im Zickzack führte uns Alia durch die Altstadt, bis sie vor einer dunklen Mauernische stehen blieb. Sie beugte sich vor.
    »Fatme«, rief sie leise.
    Eine heisere Stimme antwortete, bei der ich nicht unterscheiden konnte, ob sie einem Mann oder einer Frau gehörte. Gleich darauf sahen wir eine uralte Frau, tief gebeugt, die sich aus der Nische schob. Beim Lächeln entblößte sie einen einzigen Zahn.
    »Monsieur, Mister!« rief sie uns fistelnd zu. »Ich Zukunft sehen! Ich große Weise! Ich…«
    »Hör auf, das sind keine Touristen«, sagte Alia lachend, wurde schlagartig ernst und ließ einen arabischen Redeschwall los. Nur den letzten Satz sagte sie auf Englisch. »John und Suko wollen etwas über die Todesgeister der Sahara wissen.«
    Die alte Frau riß die wachen, dunklen Augen auf. Ihr fast zahnloser Mund öffnete sich, und mit einem erschrockenen Aufschrei taumelte sie gegen die Mauer.
    ***
    Jane Collins fühlte sich elend. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals so unbequem geflogen zu sein. Ihre Maschine sackte offenbar von einem Luftloch ins das nächste, schaukelte, schüttelte sich und stieß und bockte wie ein wild gewordener Esel.
    Jane versuchte sich festzuhalten. Sie wollte nach der Stewardeß rufen, doch ihre Stimme versagte den Dienst. Krampfhaft bemühte sie sich, die Augen zu öffnen. Wenigstens damit hatte sie Erfolg.
    Doch was sie sah, ließ sie sich wünschen, die Augen nie geöffnet zu haben.
    Sie lag gar nicht in einem Flugzeug, sondern auf dem Boden eines völlig kahlen Raums
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