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0063 - Sandra und ihr zweites Ich

0063 - Sandra und ihr zweites Ich

Titel: 0063 - Sandra und ihr zweites Ich
Autoren: Richard Wunderer
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Leichenschauhaus.
    ***
    Der Regen prasselte gegen die Windschutzscheibe. Die Scheibenwischer mußten ordentlich arbeiten, damit ich die Straße erkennen konnte.
    In das monotone Summen der Wischerblätter hinein quäkte das Funkgerät. Die Zentrale legte einen Anruf für mich um.
    »John, du hast dich nicht bei mir gemeldet«, rief Jane Collins, als die Verbindung stand. »Hast du schon etwas herausgefunden?«
    »Ich bin Oberinspektor, aber kein Hellseher«, antwortete ich und lächelte stellvertretend für Jane das Mikrofon an. Schade, daß sie es nicht sehen konnte. Jane war jedes Lächeln wert. »Ich bin unterwegs zu Flints Eltern. Er war angeblich vor ein paar Minuten bei ihnen.«
    »Was?« Jane brauchte ein paar Sekunden, um das zu verarbeiten. Dann zog sie den einzig richtigen Schluß. »Der Dämon sieht also jetzt wie Larry Flint und nicht mehr wie Sandra Stanwick aus.«
    »Wahrscheinlich«, antwortete ich vorsichtig. Ich wollte mich noch nicht festlegen. »Was machst du heute?«
    »Was wohl«, gab sie erstaunt zurück. »Ich mache Larry Flints Eltern einen Besuch.«
    »Das kann nur bedeuten«, konterte ich, »daß du als Privatdetektivin keine Aufträge mehr bekommst. Sonst hättest du nicht so viel Zeit.«
    »Du bist unausstehlich, John Sinclair!« schimpfte sie lachend. »Ich komme nur, weil du ständig eine Gouvernante brauchst! Scotland Yard müßte sich sonst sehr bald nach einem neuen Oberinspektor umsehen.«
    Sie legte sehr temperamentvoll auf. Ich bekam es sogar über Funk mit.
    Eine Minute später war Janes Stimme wieder im Lautsprecher des Funkgeräts. »Du hast mir die Adresse noch nicht gesagt«, murmelte sie.
    Ich nannte sie ihr. »Du wirst langsam vergeßlich, mein Darling«, sagte ich grinsend.
    »Wieso hast du nicht daran gedacht?« erwiderte sie schnippisch und knallte den Hörer auf den Apparat. Es zerriß fast das Funkgerät.
    Fünfzehn Minuten später stellte ich den Bentley vor einem jener Reihenhäuser ab, die man nur an den Nummern auseinanderkennt. Als ich ausstieg, flog die Tür auf. Eine rundliche Frau mit blonden Locken erschien, hinter ihr ein massiger Mann mit Vollglatze. Die Frau sah mir ängstlich, der Mann mißtrauisch entgegen.
    Ehe ich etwas sagen konnte, bog mit kreischenden Reifen ein uralter VW in die Straße ein. Es war Janes frisierter Wagen, dem man nicht ansah, was er unter der Haube hatte.
    »Haben Sie angerufen, Mister?« rief der Mann und trat einen Schritt vor, während Jane atemlos in den Vorgarten hetzte.
    Ich nickte und zeigte ihnen meinen Ausweis. »Das ist Miß Collins«, stellte ich vor. »Dürfen wir reinkommen?«
    »Scotland Yard?« Mr. Flint gab mir den Ausweis zurück. »Wir waren unser Leben lang anständige Leute und haben nie etwas mit der Polizei zu tun gehabt! Was wollen Sie?«
    »Bitte, nicht hier auf der Straße«, sagte Jane mit einem charmanten Lächeln und erreichte, daß wir ohne Schwierigkeiten in das Haus kamen. Was wir den Leuten zu sagen hatten, war nichts für ungebetene Zeugen.
    Mrs. Flint berichtete von dem überraschenden Besuch ihres Sohnes. »Ich habe mich natürlich gefreut, aber ich weiß nicht so recht, wieso er meinetwegen die Arbeit versäumt hat.«
    »War er irgendwie anders als sonst?« fragte Jane impulsiv.
    Mrs. Flint sah sie erstaunt an. »Merkwürdig. Das hat er mich auch gefragt. Und ich habe ihm versichert, daß mir nichts an ihm auffällt. Da ist er dann sehr rasch gegangen und war offenbar zufrieden.«
    Jane warf mir einen vielsagenden Blick zu. Ich verstand, worauf sie hinauswollte. Auf keinen Fall war Larry Flint selbst hier gewesen. Er war tot. Es war der Dämon gewesen, der Flints Aussehen angenommen hatte. Und es gab nur eine Erklärung, warum er gekommen war.
    Er hatte sich vergewissern wollen, daß niemand in ihm einen Doppelgänger erkannte. Und wer konnte das besser prüfen als die eigene Mutter?
    Ich holte tief Luft. Einmal mußte es sein. Einmal mußten sie es erfahren. »Mrs. Flint.« Ich räusperte mich. »Mr. Flint, es tut mir leid, aber ich…«
    Das Wort blieb mir im Hals stecken. Für einen Sekundenbruchteil sah ich hinter dem Ehepaar Flint die Gestalt ihres Sohnes, blaß und schwach nur, aber ich war mir meiner Sache sicher. Gleich darauf war er wieder verschwunden.
    »Was wollten Sie sagen, Mr. Sinclair?« erkundigte sich Mr. Flint ungeduldig.
    Ich schluckte schwer. Sollte der Dämon nicht einmal vor den Eltern seines Opfers haltmachen? Unauffällig tastete ich nach dem silbernen Kreuz und nach der
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