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0063 - Der Hüter des Bösen

0063 - Der Hüter des Bösen

Titel: 0063 - Der Hüter des Bösen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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Götzentempel, die Ruinen von Persepolis.
    Er kreuzte die auf beiden Listen aufgeführten Örtlichkeiten an und rückte dann wieder Claude Clemenceau auf die Pelle.
    »Welche von den angekreuzten Zielobjekten gehören nicht unbedingt zum Standardprogramm, mit dem jeder halbwegs wichtige Besucher traktiert wird?«, fragte er.
    Clemenceau vertiefte sich in die Aufzeichnungen. Anschließend wackelte er mit dem Kopf hin und her.
    »Schwer zu sagen, Monsieur Fleming. Das Baugelände gehört ganz sicherlich nicht zum Standardprogramm. Aber da alle vier Herren mit dem Kraftwerkbau befasst waren…«
    »… ist es nicht ungewöhnlich, dass sie sich die Örtlichkeit ansehen. Das ist mir klar, Monsieur Clemenceau. Sonst noch etwas, das irgendwie aus dem Rahmen fällt?«
    Wieder beschäftigte sich der Attaché mit den Listen. Dann blickte er hoch.
    »Dieser Tempel am Rande der Wüste Lut, würde ich sagen, Monsieur Fleming. Die Herren Montpellier und Martin haben ihn auf spezielle Einladung eines iranischen Diplomaten besucht. Dass Staatssekretär Mouslin und Monsieur Giraudoux ihn allerdings auch…«
    Bill schaltete sofort. »Einen Augenblick Monsieur Clemenceau. Darf ich mal kurz das Haustelefon benutzen?«
    »Selbstverständlich.«
    Bill griff nach dem Hörer und ließ sich mit dem Mitglied aus Mouslins Delegation verbinden, das die andere Liste für ihn verfasst hatte.
    »Monsieur Gordogne? Darf ich Sie noch einmal belästigen? Können Sie mir sagen, wie es zum Besuch jenes Götzentempels am Rande der Wüste Lut gekommen ist? Idee eines persischen Diplomaten, aha! Wie hieß der Mann? Ich danke Ihnen, Monsieur Gordogne.«
    Bill wandte sich wieder dem Attaché zu. »Hieß der bewusste iranische Diplomat zufällig Saadi, Monsieur Clemenceau?«
    Der Attaché nickte.
    Der Historiker stieß befreit die Luft aus. »Können Sie mir etwas über diesen Götzentempel erzählen, Monsieur Clemenceau?«
    ***
    Kommissar de Witter hatte vierundzwanzig aufreibende Stunden hinter sich.
    Es war weniger der Dienst gewesen, der seine Nerven aufs äußerste strapaziert hatte. Der Grund lag vielmehr in seinem eigenen Ich begraben.
    Seine Gedanken gingen immer wieder zu den drei Menschen hin, die er in Schutzhaft genommen hatte. Dieser Zamorra war ihm ja ungemein sympathisch. Solch einen Mann würde er sich als seinen besten Freund wünschen. Die anderen beiden hingegen… Teufel, was hatte dieses blonde Weib doch für eine niederträchtige Visage.
    Und dann dieser Giraudoux. Ein solcher Mensch hatte doch eigentlich überhaupt keine Existenzberechtigung.
    Er vermied es, dem Untersuchungsgefängnis allzu nahe zu kommen. Die unmittelbare Nähe dieser Menschen war mehr, als er ertragen konnte.
    Von Natur aus neigte er ein bisschen zum Cholerikertum. Es gelang ihm jedoch meist, sein aufbrausendes Temperament zu zügeln.
    Selbstbeherrschung nannte man so etwas. Im vorliegenden Fall zweifelte er jedoch mehr und mehr daran, dass sich seine Selbstbeherrschung letzten Endes durchsetzen würde.
    Gott, was waren ihm diese zwei Subjekte zuwider. Die bloße Vorstellung, dass sie wie er die Luft Brüssels atmeten, raubte ihm fast den Verstand. Es musste etwas geschehen, schnell sogar, sonst wurde er wahnsinnig. Im Grunde genommen gab es nur einen Ausweg: Er oder sie. Eine andere Möglichkeit sah er nicht.
    Am späten Abend hielt er es nicht mehr aus. Seine Selbstbeherrschung war am Ende.
    Seine Frau, die mit ihm gemeinsam vor dem häuslichen Fernseher saß – es lief ein älterer Gangsterfilm, in dem allerdings nicht Jean Gabin, sondern dieser Giraudoux die Hauptrolle zu spielen schien – blickte erstaunt auf.
    »Willst du noch weggehen, Roger?«
    »Ich muss«, brummte er mit ungewöhnlich tiefer Stimme.
    Seine Frau legte die Hand vors Gesicht. »Was ist los, Roger? Du siebst ja auf einmal so komisch aus. Ich habe ja… richtig Angst vor dir!«
    De Witter beachtete sie nicht weiter, sondern verließ das Haus. Mit seinem Wagen fuhr er schnurstracks zum Untersuchungsgefängnis.
    Auf sein Einlassbegehren öffnete sich die schwere Eisentür sofort.
    Er war ein häufiger Besucher in diesen Mauern, und jedermann kannte ihn.
    »So spät noch, Monsieur le commissaire?«, begrüßte ihn die Wachmannschaft.
    »Ja, ja!«, knurrte er. »Ich muss in Zelle zwo vierzehn!«
    Das Weibsstück war inzwischen unter seinen geistigen Horizont abgesunken. Dafür hatte er den Kerl umso deutlicher vor Augen.
    Warte, du Untier , sagte er zu sich selbst. Und dann eilte er auch schon
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