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0063 - Der Hüter des Bösen

0063 - Der Hüter des Bösen

Titel: 0063 - Der Hüter des Bösen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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ein Ölscheich – in einer prunkvollen Villa inmitten einer tropischen Parklandschaft, die wohl der mohammedanischen Vorstellung vom Himmel ziemlich nahe kam.
    Der Iraner, ein scharfgesichtiger, braungebrannter Erfolgsmensch, empfing ihn mit ausgesuchter Freundlichkeit.
    »Ah, Mister Fleming! Sie sind Amerikaner, nicht wahr? Ich freue mich, Sie kennen lernen zu dürfen.« Er sprach Amerikanisch ohne den geringsten Akzent. Eine fürwahr erstaunliche Leistung für einen Mann aus dem nationalbeflissenen alten Kaiserreich.
    »Ganz meinerseits«, sagte Bill. Saadi gefiel ihm nicht. Er war zu glatt, zu freundlich, zu sicher.
    Der Iraner führte ihn auf eine von Blumenkübeln umsäumte Terrasse. In einem riesigen Vogelbauer in der Form eines morgenländischen Schlosses sangen und girrten tropische Vögel.
    Ausgerechnet Vögel , dachte Bill, als ihm der Diplomat des Schah einen überraschend weichen Strohsessel anbot und sich ebenfalls setzte.
    »Monsieur Clemenceau hat mich davon in Kenntnis gesetzt, dass sie sich für überlieferte Riten aus der vorislamischen Zeit interessieren.«
    »So ist es«, bestätigte Bill. »Ich bin Historiker«, fügte er dann noch wahrheitsgemäß hinzu.
    Saadi klatschte in die Hände und trug dem sofort erscheinenden dunkelhäutigen Diener auf, Erfrischungen zu bringen. Sein Auftrag wurde unverzüglich ausgeführt.
    Es war warm in Teheran, und Bill hatte deshalb nichts dagegen, einen eisgekühlten Drink zu sich nehmen zu können.
    Weniger gefiel ihm allerdings, dass Saadi keine Anstalten machte, mitzutrinken.
    Der Iraner erkannte wohl sein Zögern, denn er sagte: »Sie müssen das verstehen, Mister Fleming. Ich bin gläubiger Muslim, und der Prophet hat den Alkohol verboten.«
    Bill hatte so seine Zweifel an der Religionstreue des Mannes. Ein Diplomat, der keinen Tropfen trank? Aber er glaubte doch nicht, dass Saadi versuchen wollte, ihn zu vergiften. Der Mann konnte von den wahren Beweggründen, die zu diesem Interview geführt hatten, nichts wissen. Und selbst wenn einer der Botschaftsmenschen geplaudert hatte, wussten zu viele Leute, dass Bill in seine Villa gefahren war.
    Er trank also von dem angebotenen Aperitif. Das Getränk schmeckte bittersüß und war wirklich äußerst erfrischend.
    Dann kam er zum Thema. »Ich bin besonders an einem ganz bestimmten Tempelkult interessiert«, sagte er.
    »Ich weiß, ich weiß! Die Wüste Lut.«
    Bill ärgerte sich. Er hatte Clemenceau ausdrücklich gebeten, keine Einzelheiten zu erwähnen.
    Saadi schien seine Gedanken gelesen zu haben.
    »Nicht Mister Clemenceau hat mich über Ihre Intentionen informiert, Mister Fleming. Es war ein ganz anderer Herr.«
    Bill runzelte die Stirn.
    »Ich glaube, Sie kennen ihn unter dem Namen Raymond Marcellin«, sagte Saadi.
    ***
    Nicole Duval erwachte aus einer tiefen Bewusstlosigkeit.
    Ihre Glieder waren schwer wie Blei. Nicht Blut schien durch ihre Adern zu fließen, sondern eine sirupartige Flüssigkeit. Sie wusste nicht, wie lange sie ohne Bewusstsein gewesen war.
    Ihre letzte Erinnerung: Eine Hotelhalle, Bill, ein Kinnhaken…
    Aber sie dachte nicht lange an Bill Fleming. Es gab wichtigere Dinge, viel wichtigere Dinge.
    Sie versuchte, sich zu orientieren.
    Wo befand sie sich hier? Ein enges Betongehäuse, schwaches Lampenlicht, nirgendwo ein Fenster. Wirklich kein besonders angenehmer Aufenthaltsort.
    Auch der Gedanke an mangelnden Komfort trat schnell in den Hintergrund, wich einer Erkenntnis, die alle anderen Überlegungen wie mit einem Mantel zudeckte.
    Zamorra war in der Nähe!
    In unmittelbarer Nähe!
    Wellen abgrundtiefen Hasses durchfluteten sie. Der Hass war so groß, dass sie glaubte, sterben zu müssen, weil sie ihn nicht auf der Stelle befriedigen konnte.
    Sie sprang von der Pritsche hoch, auf die man sie gelegt hatte. Ein Gefühl der Stärke strömte in ihre Glieder, ihre Muskeln, ihre Sehnen.
    Wuchtig warf sie sich gegen die Betonmauern. Sie hackte und kratzte. Und sie schrie – laut, schrill und durchdringend.
    Aber die Mauern wollten nicht weichen.
    Sie dachte jetzt gar nichts mehr, fühlte nur noch. Und alles, was sie fühlte, war dieser Hass, dieser alles überwindende Hass.
    Ja, auch diese Mauern waren zu überwinden!
    Sie sonderte Speichel ab. Der Speichel, brodelnd und sengend, tropfte auf den Fußboden.
    Der Beton zischte, fing dann an, sich aufzulösen, langsam zwar, sehr langsam, aber stetig.
    Mit glühenden Augen betrachtete Nicole Duval den Zersetzungsprozess.
    ***
    Der Name Marcellin
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