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0059 - Hexenverbrennung

0059 - Hexenverbrennung

Titel: 0059 - Hexenverbrennung
Autoren: Richard Wunderer
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Gegenwart auch zu dem Zellentrakt des Yards Zutritt. Niemand wäre auf die Idee gekommen, sie zurückzuweisen.
    »Hier ist auch Mara untergebracht«, sagte ich zu den drei Frauen, die bisher kein Wort mit mir gewechselt hatten. Sie taten, als wären wir Luft. Ich nahm mir vor, ihnen diesen Hochmut auszutreiben.
    Wir bogen in den Korridor ein, der an einer Gittertür endete. Dahinter befanden sich die Zellen.
    So weit kamen wir jedoch nicht. Neben dem Tor gab es ein Büro, von dem aus der Eingang zu der Abteilung der Gefangenen überwacht wurde. Ein Polizist führte Buch darüber, welche Gefangenen eingeliefert und abgeholt wurden.
    Und dieser Polizist lag mitten auf dem Korridor.
    Schon von weitem ließ seine verkrümmte Haltung nichts Gutes ahnen. Da meine uniformierten Kollegen die Hexen abführten, konnte ich einschreiten. Ich lief zu dem Regungslosen, beugte mich über ihn und drehte ihn auf den Rücken.
    Erschrocken prallte ich zurück. Ich erkannte den Mann, hatte ihn schon ein paarmal gesehen. Es war jedoch schwer, ihn zu identifizieren. Sein Gesicht war eingeschrumpft und wirkte wie das eines alten Mannes, obwohl er bestimmt nicht älter als ich war.
    Zögernd streckte ich die Hand aus und berührte seinen Arm. Durch die Uniform hindurch fühlte er sich wie Stein an.
    Ich wirbelte herum und starrte den drei Hexen ins Gesicht. Wut drohte mich zu übermannen! Ich mußte mich gewaltsam zusammenreißen, um nicht die Fassung zu verlieren.
    »Dieser Mann ist durch den Todesboten ermordet worden«, sagte ich zähneknirschend.
    Die Gesichter der Frauen blieben starre, undurchdringliche Masken.
    »Sie glauben uns wahrscheinlich nicht«, sagte die Schwarzhaarige, »wenn ich versichere, daß wir es nicht waren, oder?«
    »Nein, das glaube ich nicht!« schrie ich, bückte mich und hakte blitzschnell den Schlüsselbund vom Gürtel des Wächters los.
    Mit bebenden Fingern schloß ich die Gittertür auf und ahnte bereits das Schlimmste.
    Ich hatte nicht oft im Zellentrakt zu tun, und wenn ich herkam, schloß mir der diensttuende Polizist auf. Daher dauerte es eine Weile, bis ich den richtigen Schlüssel für Maras Zelle fand.
    An das Guckloch in der Tür dachte ich erst gar nicht. Ich mußte so schnell wie möglich der ehemaligen Hexe helfen.
    Quietschend schwang die Zellentür zurück. Mit einem Aufschrei fuhr ich zurück.
    Es kommt selten vor, daß ich schockiert bin, aber diesmal war ich es.
    Mara Lacatte lag auf dem Boden, das Gesicht dem Eingang zugewandt. Maßloses Grauen war in ihren Zügen festgefroren.
    Ihren Körper überzog die graue Masse des Todesboten, gestaltlos wie immer, feucht schimmernd, abstoßend, furchterregend.
    Kein Zweifel. Mara Lacatte war tot.
    ***
    Sekundenlang stand ich wie erstarrt, unfähig mich zu bewegen.
    Diese Frau hatte sich vertrauensvoll an mich gewandt, hatte mich um Hilfe gebeten!
    Und was hatte ich für sie getan?
    Sicher, ich hatte etwas unternommen. Sehr viel sogar. Aber das Endergebnis sah ich vor mir.
    Mara Lacatte war tot! In einer Zelle von Scotland Yard auf unnatürliche Weise ermordet!
    In meiner ohnmächtigen Wut und Verzweiflung riß ich das silberne Kreuz von meinem Hals und schleuderte es auf die Leiche. Es versank in der grauen Masse, die sofort heftig zu zucken begann, ein Anblick, den ich kaum ertrug. Man mußte schon starke Nerven haben, um nicht schreiend zu fliehen.
    Ich hörte hinter mir entsetztes Stöhnen und Keuchen, kümmerte mich jedoch nicht darum. Meinen Einsatzkoffer trug ich bei mir, weil ich anschließend in mein Büro gehen wollte. Dort sollten die Hexen verhört und ihrer Fähigkeiten beraubt werden. Jetzt stellte ich den Koffer rasch auf den Boden, ließ das Schloß aufschnappen und holte die magische Kreide heraus. Ich drückte sie Suko in die Hand. Er brauchte keine Anweisungen. Blitzartig zog er einen Kreis um die Leiche mitsamt ihrem dämonischen Mörder. Nun konnte der Todesbote nicht mehr entweichen. Der Fußboden hatte keine einzige Ritze, in die er sich zurückziehen konnte.
    Vor Empörung und Enttäuschung bebend, schleuderte ich die Gnostische Gemme dem silbernen Kreuz hinterher, riß den Dolch aus dem Koffer und beugte mich über die Tote.
    Vorsichtig hielt ich den Dolch waagrecht dicht über ihren Körper und ließ los. Ich scheute mich davor, Mara auch nur die Haut zu ritzen, obwohl sie es nicht mehr gefühlt hätte.
    Als auch noch Suko die magische Kreide in die klebrige Masse des Todesboten warf, fiel die Entscheidung.
    Die graue Masse
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