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0057 - Finger weg von solchen Sachen

0057 - Finger weg von solchen Sachen

Titel: 0057 - Finger weg von solchen Sachen
Autoren: Helmut Kobusch
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interessierter sie zuhörten, desto weniger brauchten wir Schülerstreiche zu fürchten.
    »Wenn Sie morgen um halb elf in ein Hotel geschickt werden mit dem Auftrag, einen bestimmten Mann zu suchen«, begann Phil mit einem leicht verlegenen Grinsen, das ihm immer sehr gut steht, »und Sie finden statt dieses Mannes die Leiche eines sechsjährigen Kindes, dann wissen Sie, wem Sie auf der Spur sind: Babykiller Jackson!«
    Mit dem Aussprechen dieses Namens kam eine geradezu atemlose Spannung über alle. Babykiller Jackson hatte in den letzten drei Wochen durch vier Kindermorde derart von sich reden gemacht, daß sich die Zeitungen förmlich überschlugen, uns Unfähigkeit, Faulheit, mangelnde Tatkraft und was weiß ich sonst noch alles vorzuwerfen.
    »Wer ist Jackson?« warf ich verabredungsgemäß ein. »Ist er groß oder klein? Blond, braun oder schwarz? Hat er blaue oder braune Augen? Sind Fingerabdrücke von ihm gefunden worden? Ist sein Vorname, sein Geburtsort, sein letzter Aufenthalt bekannt?«
    »Nichts von alldem«, sagte Phil.
    »Vier bestialische Morde an kleinen Kindern und noch immer keine Spur vom Täter! Warum nicht? Versagt die Polizei? War sie zu spät am Tatort? Entgingen ihr Spuren? Hätte sie schneller sein können?«
    »Es waren insgesamt über vierhundert G-men und Beamte der lokalen Polizeiorganisationen eingesetzt. An dem Fundort der Leichen ist jedes abgefallene Blatt umgedreht, jeder Grashalm mit der Lupe abgesucht und jedes in der Nähe gelegene Haus durchsucht worden. Ohne Resultat.«
    »Warum?« bohrte nun wieder Phil weiter. »In Elmira, dem Fundort des ersten ermordeten Kindes, wurde die Mutter vernommen, die selbst gesehen hatte, wie ihr Kind in einem öffentlichen Park von einem Mann angesprochen worden war. Die arme Frau beschäftigte sich leider zu intensiv mit ihrer Nachbarin, als daß sie uns auch nur eine halbwegs brauchbare Beschreibung dieses Mannes hätte liefern können. In Oklahoma verweigerte eine Siebzehnjährige jede Aussage mit der Begründung, sie wäre kein Polizeispitzel!«
    »Warum habt ihr sie nicht eingesperrt, bis sie ihre dumme Schnute aufmachte?« schrie jemand aus der Menge der Schülerschaft.
    Phil hob bedauernd die Hände.
    »Man konnte ihr nicht nachweisen, daß sie wirklich etwas wußte. So sieht es aus. Presse und Publikum sind sich einig im Schimpfen über die Untauglichkeit der Polizei. Man verlangt von uns hellseherische Gaben, statt uns mit sachlichen Angaben auf die Sprünge zu helfen. Wir können weder hellsehen noch aus Kaffeesatz Rückschlüsse über die Person eines bestialischen Mörders ziehen.«
    »Aber vielleicht ein bißchen schärfer ’rangehen?« rief wieder irgendein junger Bursche aus der Schülerschaft.
    Ich beugte mich dicht ans Mikrofon und sagte leise: »In Albany ging ein Kamerad von uns so scharf ’ran, wie Sie es sich nur wünschen können. Es ging alles zu schnell, und er hatte keine Gelegenheit, irgendeine Polizeidienststelle anzurufen. Wir fanden ihn am nächsten Morgen vierzig Schritte vom Fundort der dritten Kindesleiche. Sein Begräbnis war gestern. Der Kamerad war siebenundzwanzig Jahre alt, seit drei Jahren verheiratet und hatte zwei Kinder. Das jüngste liegt noch mit der Mutter im Krankenhaus, wo es geboren wurde. Die Mutter erlitt einen schweren Nervenzusammenbruch. Und sie schwebt noch heute in Lebensgefahr. Babykiller Jackson aber ist noch immer auf freiem Fuß. Gestern abend, wie ihr wahrscheinlich aus den Zeitungen gelesen habt, ermordete dieser Unmensch sein viertes Opfer. Es handelt sich um die achtjährige Kay Sommergay aus Troy. Die Bilder von dem toten Mädchen mußten wir sogar für die Presse sperren…«
    Well, an Schülerstreiche dachte jetzt offensichtlich wirklich niemand mehr. Wir kamen langsam zum Thema. Außer diesen Alarmnachrichten, die wir in voller Absicht dramatisch vortrugen, weil die Aufmerksamkeit der jungen Leute geweckt werden mußte, ging es in der Hauptsache natürlich darum, einen sachlichen Einblick in die Polizeiarbeit zu vermitteln.
    Wir sprachen ungefähr eine Dreiviertelstunde, dann ergab sich ein ziemlich reges Frage- und Antwortspiel, das noch einmal eine gute Dreiviertelstunde dauerte, danach unterhielten wir uns noch an die zehn Minuten mit einigen Lehrern, und dann waren wir in Gnaden entlassen. Wir konnten zufrieden sein, denn alle hatten uns bestätigt, daß es sehr interessant gewesen war.
    Wir verließen zusammen das Haus und schritten auf dem Kiesweg zum Parkplatz, wo unser
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