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0057 - Finger weg von solchen Sachen

0057 - Finger weg von solchen Sachen

Titel: 0057 - Finger weg von solchen Sachen
Autoren: Helmut Kobusch
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wie mutig kommen sie sich vor, wenn sie andere Menschenleben vernichten, Existenzen ruinieren, Blut vergießen, als wäre es Limonade.
    Hinterher wollen sie bedauert werden. Da fällt ihnen plötzlich ein Wort ein, das sie ihr ganzes Leben nicht kannten: Mitleid.
    »Komm, Phil«, sagte ich.
    »Ja, Jerry. Machen wir den Fall rund.«
    Mr. High nickte nur. Wir gingen hinaus.
    Mr. Leyton, der Professor des staatsbürgerlichen Seminars. Der Bock als Gärtner.
    ***
    Seine Adresse wußten wir nicht. Wir fuhren zur Schule.
    Wir postierten uns an den Haupteingang. Es war acht Uhr und vierzehn Minuten. Um acht Uhr dreißig sollten die ersten Vorlesungen beginnen.
    Die Schülerinnen und Schüler gingen an uns vorbei. Hin und wieder sahen wir einen der sechsundvierzig, in dessen Gesicht das Rauschgift die ersten schwachen Spuren hinterlassen hatte, die freilich nur dem Wissenden auffallen konnten.
    Es war acht Uhr fünfundzwanzig, als Mr. Leyton durch die Allee geschritten kam, die von rechts zum Portal führte.
    Als er uns sah, blieb er stehen, dann zog er den Hut und kam auf uns zu.
    »Hallo, die Herren von der Bundespolizei! Recht schönen guten Morgen. Ich muß Ihnen noch nachträglich für den Vortrag von gestern danken. Wie ich inzwischen feststellen konnte, ist er bei der Schülerschaft recht gut angekommen. Man war allgemein begeistert.«
    »Mir scheint, daß einige von den Erwachsenen den Vortrag dringender gebraucht hätten«, sagte Phil.
    »Wieso?«
    »Weil die schlimmsten Verbrechen doch immer von den Erwachsenen verübt werden. Würden Sie so freundlich sein und mir mal Ihr rechtes Handgelenk zeigen, Mr. Leyton?«
    »Warum?« fragte Leyton verdutzt, er schob aber schon Rock- und Hemdsärmel etwas zurück.
    »Danke«, sagte Phil und ließ die Handschelle darumschnappen. »Sie sind verhaftet wegen Vergehens gegen das Rauschgiftgesetz. Ob Sie wegen weiterer Delikte angeklagt werden, wird die Untersuchung ergeben. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß alles, was Sie von jetzt ab sagen oder tun, gegen Sie verwendet werden kann«, sagte Phil die althergebrachte Formel.
    Aber selten habe ich sie mit so einer inneren Befriedigung gehört.
    Inzwischen hatten sich etwa hundert Schülerinnen und Schüler um uns herum versammelt. Ihre Augen starrten wie gebannt auf dieses ungewohnte Schauspiel.
    Plötzlich riß Leyton die geballte linke Hand empor, an der ein großer Siegelring glänzte.
    Ich riß ihm den Arm herunter.
    »Nein, nein«, sagte ich langsam, »dieses Werk soll der Henker vollziehen, Mr. Leyton.«
    Schweigend öffnete sich uns eine Gasse, als wir ihn abführten.
    ***
    Zwei Tage später fuhren wir wieder zum Sco Marven College. Diesmal trugen wir schwarze Anzüge.
    An der Auffahrt wimmelte es von Autos.
    Mr. Grevery begrüßte uns am Portal mit einem schweigenden ernsten Nicken. Wir gingen leise die Treppe hinauf zum Auditorium maximum.
    Auf der Bühne standen die beiden Särge von Joe und Margy. Sie waren von einem Blütenmeer umgeben. Ihre beiden blassen Gesichter strahlten durchsichtig weiß aus einem Kranz von dunkelroten Rosen.
    Es gab keine Ansprache. Die hielt Beethovens Musik.
    Dann las jemand Joes Tagebuch vor. Von der ersten bis zur letzten Seite. Ich glaube, daß es niemals eine eindringlichere Mahnung und Warnung vpr Rauschgiften gegeben hat.
    Danach zogen sie in langen Reihen zum letztenmal an den beiden Toten vorbei. Einsichtsvolle Eltern hatten die Särge dicht aneinandergerückt.
    Wir legten unseren Kranz vor den beiden Särgen nieder und zupften die Schleife auseinander: Das FBI — seinen zwei gefallenen Kameraden.
    Dann stahlen wir uns leise hinaus.
    ENDE
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