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0054 - Wir und der Hellseher

0054 - Wir und der Hellseher

Titel: 0054 - Wir und der Hellseher
Autoren: Wir und der Hellseher
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Bogen durch die Luft, und der Wagen raste in den Drahtzaun, der das Koksmeer von der Straße trennte.
    Die Luft war erfüllt von dem Kreischen geschundenen Bleches. Drei, vier Träger des Zaunes bogen sich wie Zweige im Wind. Der Drahtzaun riss knallend an zwei Stellen.
    Dennoch durchbrach der Cadillac das Drahtgitter nicht. Im Gegenteil: Das Drahtgeflecht hatte eine ähnliche Wirkung wie ein Netz, in das ein Akrobat springt. Er federte in seiner Gesamtheit den Cadillac zurück, obwohl es stellenweise gerissen war. Natürlich war das kein Zurückfedern um ein Dutzend Yards, sondern nur um einen oder zwei Schritte. Jedenfalls kam der Cadillac quer über die Straße zum Stehen, mit dem Kühler genau vor einem mehr als mannshohen und mannsbreiten Riss, den er in die Umzäunung gerissen hatte.
    Ich trat in die Bremse. Auf fünfzig Yards Entfernung standen sich unsere Wagen gegenüber. Ich glitt hinaus und ging hinter der offenen Tür in Deckung, die Smith & Wesson in der Hand.
    Ich sah, dass drüben zwei Gestalten huschten, und ich setzte eine Kugel in die Windschutzscheibe des Cadillacs, die merkwürdigerweise ganz geblieben war. Nur so zur Warnung.
    Von drüben wurde nicht geantwortet. Ich rief ihnen eine Übergabeaufforderung zu: »Kommen Sie heraus und nehmen Sie die Hände hoch. Sie haben keine Chance mehr!«
    Es blieb eine Minute lang still, dann rief eine Stimme: »Kann ich zum Kronzeugen erklärt werden?«
    »Kommen Sie heraus und zeigen Sie Ihr Gesicht!«
    Es dauerte zehn Sekunden, dann tauchten ganz vorne hinter dem Kühler erst die Hände, dann der Kopf und dann der Oberkörper eines Mannes auf. Ich sah seine Brille funkeln. Das also war Til.
    Er machte den Mund auf und rief: »Ich melde mich als Kronzeuge gegen Georg Bellow!«
    »Das ist nicht meine Sache!«, rief ich zurück. »Ich nehme Ihre Meldung zur Kenntnis, aber im Übrigen habe ich Sie nur zu verhaften. Kommen Sie heraus!«
    Er zögerte noch. Neben ihm erschien die Gestalt eines zweiten Mannes, eines großen schweren Burschen im zerfetzten, bestaubten Anzug. Georg Bellow? Ich kannte ihn unter dem Namen Andrew Lefault.
    Es ging ganz schnell. Lefault warf die Arme nach vorn, legte das Gewicht seines Körpers dahinter und stieß Til gegen den Riss im Drahtzaun.
    Til, auf diesen Angriff nicht gefasst, taumelte, stürzte in den Spalt. Seine Jacke verfing sich im Draht und hielt ihn für einen Augenblick. Lefault stieß nach.
    Ich schoss. Meine Kugel traf. Sie wirbelte Lefault herum und warf ihn in den Staub.
    Til ruderte mit den Armen. Ich raste los, aber noch während ich die ersten .Sprünge tat, hörte ich durch all den Lärm, der hier herrschte, ein nicht lautes und doch scharfes Geräusch: das Ratschen, mit dem der Anzugstoff riss. Schrill stand der Schrei des Mannes in der Luft. Dann wurde es still, nur noch das Poltern des Koks und das ewige Mahlen der sich drehenden und reibenden Steine.
    Ich stürzte mich gegen den Zaun. Schon war nichts mehr von dem Mann zu sehen. Ganz nahe an der Stelle, an der er hineingestürzt war, ergoss sich eines der Fernleitungsrohre in das Kohlebecken, und schon war sein Körper begraben unter Kubikmetern von Steinen.
    Ich drehte mich um. Zehn Schritte von der Todesstelle seines Kumpans saß der Mörder im Staub der Straße und hielt sich die Schulter.
    Ich ging auf ihn zu. Es sickerte zwischen seinen Fingern rot durch den Staub auf seinen Händen.
    »Sind Sie verrückt auf mich zu schießen, Cotton!«, fauchte er mich an. »Das war doch Notwehr!«
    Ich reagierte nicht darauf. Ich legte die Hand auf seine Schulter und sprach die übliche Formel.
    ***
    Im Lastwagen brachte ich Andrew Lefault zur Blockhütte zurück. Phil, der Junge und der gefesselte, völlig apathische Riese saßen in der Nähe unseres Wagens auf der Erde.
    »Ich habe durch Funkspruch bereits Hilfe herbeigeholt«, unterrichtete mich Phil. »Sie müssen jeden Augenblick kommen.«
    »Wo ist Hamilton?«, fragte ich.
    Phil senkte den Kopf. »Er liegt am Waldrand. Er ist tot. Er hat die Kugeln abbekommen, die dem Jungen zugedacht waren. Weißt du, was seine letzten Worte waren? ,Ich habe es gewusst’!«
    Ich zündete mir eine Zigarette an.
    »Glaubst du, dass er es wirklich gewusst hat?«
    »Er hat so viel gewusst. Warum nicht auch das?«
    Ich hob den Kopf und sah in die Wipfel der Bäume. »Wenn er gewusst hat, geahnt hat, dass er hier sterben würde, und er ist trotzdem gekommen, dann…«
    Ich brach ab. Es hat keinen Sinn, einen Mann zu loben, der sich
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