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0051 - Das Schiff der toten Seelen

0051 - Das Schiff der toten Seelen

Titel: 0051 - Das Schiff der toten Seelen
Autoren: Susanne Wiemer
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Verfolgung. Mit verzweifeltem Zorn erkannte Leonardo, daß ihre Gegner sie in eine tödliche Falle getrieben hatten. Erneut wendete er das Pferd, jagte über eine der Sandwehen, und als er die Gestalt Gaspard Navarres erkannte, sprengte er an die Seite des Heerführes.
    »Bertrant fiel«, berichtete er atemlos. »Die Nachhut wurde abgeschnitten und niedergemacht, und mit ihr Herzog Philippe. Achmans Heer blieb zurück. Niemand verfolgt uns…«
    Der junge Navarre preßte die Lippen zusammen.
    »Bertrant«, murmelte er. »Philippe…«
    »Wir müssen uns sammeln! Die Wüste ist tückisch hier; wenn wir nicht aufpassen, frißt der Sand, was die Ungläubigen am Leben lie- ßen. Laß halten, Gaspard! Laß mich versuchen, mit den Tourainern…«
    Navarre hob den Kopf. »Träumst du, Leonardo? Wer lebt noch von Anjou und Touraine?« Für einen Moment wurde es still.
    Leonardo de Montagne runzelte die Stirn, starrte sekundenlang ins Leere, als lausche er den eigenen Worten nach. Irgend etwas Fremdes war in seine Gedanken eingedrungen, hatte ihn von Dingen reden lassen, die es nicht gab. Die Touraine und Anjou – wann hatte er das gerufen? Nicht hier, nicht in diesem Kampf! Nie, dachte er. Was hatte Château Montagne mit Anjou und Touraine zu tun, was…
    »Leonardo! Leonardo, hörst du nicht? Achman weicht, das Heer steht. Aber der Boden trägt uns nicht, wir müssen helfen!«
    Wie erwachend starrte Leonardo in das verzerrte Gesicht des Heerführers. Gaspard spornte das Pferd, jagte zurück über den Hügel, wo die Reste der Kreuzfahrer gegen einen tückischeren, unheimlicheren Feind kämpften als zuvor, und jetzt drangen Schreie und Lärm auch wieder an Leonardos Ohren. Er riß den Schimmel herum. Verzweifelt versuchte er, die Erinnerung an jenen unheimlichen Moment der Verwirrung abzuschütteln, jagte ebenfalls in die Ebene hinaus und parierte neben dem ersten Tier durch, das in blinder Panik gegen den Flugsand kämpfte.
    Brünnenringe klirrten, als der Reiter absprang.
    Bis zu den Beinschienen sank er ein, stieß einen unterdrückten Schrei aus und griff nach dem Lanzenschaft, den Leonardo ihm entgegenstieß. Minuten später war das Pferd frei, wurde über die Sandwehe auf sicheren Grund getrieben. Leonardo wandte sich um, zu Fuß jetzt, weil er begriffen hatte, daß er sich so sicherer bewegen konnte, und ein halbes Dutzend Männer folgten ihm, um sich mit dem Mut der Verzweiflung der Katastrophe entgegenzustemmen.
    Zeit kam und verging.
    Kalt und fern funkelten die Sterne über einem Chaos aus Blut, Tod und Verzweiflung, der Wüstenwind verwehte Schreie und Stöhnen.
    Über den Hügeln hatte sich das Heer der Kalifen zurückgezogen, hatte die endgültige Vernichtung des Feindes den tückischen Naturgewalten überlassen. Ein lautloser Kampf tobte – ein Kampf des Willens, ein Kampf voll zäher Verbissenheit.
    Taumelnd bewegten sich die Männer auf dem unsicheren Grund.
    Seile wurden geworfen, Ketten gebildet, Lanzen in den Boden gerammt, um sichere Wege im Sand zu markieren. Ganz langsam formierte sich das Chaos, ganz langsam verebbte die blinde Panik und sammelte sich zu gezielter Anstrengung. Leonardo stolperte an der Seite Gaspard Navarres, die Erschöpfung schien sein Gehirn zu lähmen und auszuleeren. Irgendwann kappte er mit dem Schwert das Seil, das das letzte der versinkenden Pferde nicht mehr hatte retten können, watete zurück durch die Sandwehe und sank gegen einen Wall aus abgelegten Schilden. Er merkte nicht, daß ihm das Schwert aus der Hand glitt. Keuchend pumpte er Luft unter seine brennenden Rippen, starrte über die dunkle Ebene, die jetzt einem toten Trümmerfeld glich, und wandte den Kopf, als er Bewegung neben sich spürte.
    Alphart lächelte ihm zu, sein Freund und Kampfgefährte. Ein bleiches, verzerrtes Lächeln.
    »Dein Schwert, Leonardo«, murmelte er – und der Mann mit dem Amulett erstarrte in einem winzigen, blitzhaften Moment der Erkenntnis.
    Dies war nicht sein Schwert!
    Und es war auch nicht sein Name.
    Er war nicht Leonardo de Montagne, er war…
    Der Gedanke entglitt ihm wie eine Flamme, die nur für den Bruchteil einer Sekunde aufzuckt und wieder erlischt. Er schüttelte den Kopf, schob seine Waffe zurück in die Scheide und versuchte zu lächeln, als er den forschenden Blick seines Freundes bemerkte. Mit einem Ruck stand er auf und ließ den Blick über die Gruppen der anderen gleiten.
    »Wir müssen durch die Wüste«, sagte er leise. »Unsere einzige Chance ist es, das Meer zu
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