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0050 - Der Einsame der Zeit

Titel: 0050 - Der Einsame der Zeit
Autoren: Unbekannt
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durchdacht zu werden. Ich wußte in diesen Augenblicken nur, daß ich wahrscheinlich der letzte Mensch auf der Erde war.
    „Mensch“! lachte ich bitter auf. Rico kam sofort näher. Wenn seine mechanischen Sehwerkzeuge Besorgnis verraten konnten, dann taten sie es jetzt. Ich blieb still liegen und genoß die zugreifenden Weichplastikhände der vielarmigen Massagemaschine.
    Die Knetkur war unbedingt erforderlich, wenn ich meinen Körper wieder unter Kontrolle bekommen wollte. Es dauerte nochmals einige Stunden, bis ich mich vom Lager erheben konnte. Ein Preßluftstrom fauchte durch die feinen Poren des Schaumstoffes. Dort, wo sich im Lauf von 69 Jahren Vertiefungen eingelegen hatten, entstand wieder eine glatte Oberfläche.
    Nackt, noch völlig geschwächt und von wirren Gefühlsstürmen geschüttelt, ließ ich mich von Rico aus dem Schlafraum führen. Draußen, im freundlich eingerichteten Vorzimmer, war die Farborgel in Tätigkeit getreten. Sinnesberuhigende Wellenmuster überfluteten die Wände. Die zarten Klänge einer alten Komposition drangen wohltuend auf mich ein.
    Die wenigen Meter waren kolossal anstrengend. Seufzend ließ ich mich in die weichen Polster des Vibratorsessels sinken, der die harte Knetmassage der Robothände wesentlich unaufdringlicher fortsetzte. Rico reichte mir die ersten flüssigen Nährstoffe. Noch durfte ich meinem Magen keine festen Substanzen anbieten. Überhaupt würde ich noch mindestens drei bis vier Tage benötigen, um wieder einigermaßen fit zu sein.
    Rico schob den fahrbaren Spiegel näher und richtete das Ruhelager auf. Ich war kaum abgemagert, ein Zeichen dafür, daß mein Körper sehr gut auf den Tiefschlaf reagiert hatte. Ich winkte kurz ab und sah zu, wie er den Spiegel in die Wandvertiefung zurückschob. Dann blieb die Maschine dicht vor mir stehen. Ricos Gesicht hätte menschlich wirken können, wenn es nicht so farblos und wächsern gewesen wäre.
    „Freund, ich gäbe etwas dafür, wenn an deiner Stelle ein wirklicher Mensch stünde", sagte ich schwach. „Wie sieht es oben aus?"
    „Sehr viel Wasser, Gebieter", antwortete mein Leibdiener diplomatisch.
    Ich beobachtete ihn scharf. War die Antwort nun ein psychologischer Trick zur Entfachung eines gewissen Zorngefühles gewesen, oder wußte es Rico nicht besser?
    „Natürlich viel Wasser. Wir befinden uns auf dem Grund des Atlantischen Ozeans, südlich der Azoreninsel Sao Miguel. Hier beginnt der bekannte Azorengraben mit seinen gewaltigen Meerestiefen. Also ist über uns ausschließlich Wasser. Ich will jedoch wissen, wie es auf dem europäischen Festland aussieht. Wie hat sich der Atomkrieg in Spanien und Frankreich ausgewirkt?"
    „Unbekannt, Gebieter." Nun schoß mir das Blut ins Gesicht. Ricos untertäniges Plastiklächeln erschien mir plötzlich als höhnische Grimasse.
    „Wieso?" rief ich scharf aus. Meine Stimmbänder begannen bereits wieder einwandfrei zu funktionieren. „Warum erfolgte nicht die von mir angeordnete Oberflächenbeobachtung?"
    „Durch deine Schuld, Gebieter. Alle drei Fernsehrelaisstationen wurden von Flugzeugen abgeschossen. Wir waren darüber informiert, daß ein Start der Aufnahmesphären sinnlos sein müsse, da die Luft des Planeten von Kriegsmaschinen wimmelte. Wir hatten jedoch deinen Befehl erhalten."
    Enttäuschung, Schreck und Zorn über meine eigene Unvorsichtigkeit überfluteten mich wie eine Woge. Selbstverständlich hatten die Robots nicht anders handeln können, nachdem ich Narr voreilig die Anweisung erlassen hatte, die wichtigsten Kontinente sofort zu beobachten. Ich hatte direkt nach meinem planmäßigen Aufwachen erfahren wollen, was während des Krieges geschehen war. Nun war ich völlig abgeschnitten! Ich war nicht nur das einsamste Lebewesen auf der Erde, sondern auch noch das unwissendste.
    Über dem stählernen Gewölbe meiner Tiefseedruckkuppel lastete eine gewaltige Wassermauer. Natürlich hatte sie mich vor den tödlichen Strahlungen der zahllosen Kernreaktionen bewahrt, aber damit war mir kaum gedient. Brennendes Verlangen nach einem einzigen Wort aus menschlichem Munde überfiel mich mit solcher Stärke, daß mir leicht übel wurde. Ächzend richtete ich mich auf. Unwillig sah ich über die scheußlichen Operationsnarben auf meiner Magendecke hinweg. Daran ließ sich kaum noch etwas ändern, zumal mir neugierige Fragen mehr als unwillkommen gewesen wären.
    Außerdem: Welcher Arzt hätte die teils völlig verknoteten Überbleibsel haarsträubender Eingriffe jetzt
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