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005 - Die Melodie des Todes

005 - Die Melodie des Todes

Titel: 005 - Die Melodie des Todes
Autoren: Edgar Wallace
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Aber er fand dann immer in ihrer Jugend eine genügende Entschuldigung für ihr Mißtrauen und die heimliche Angst, die er ab und zu in ihren Augen sah. Sie war jung, viel jünger als man dachte.
    Er hatte ihre Bekanntschaft auf die übliche Weise bei einem Ball gemacht; war, wie es sich gehörte, von ihrer Mutter eingeladen worden, hatte mit ihr getanzt und Ausflüge gemacht, Ruderfahrten auf dem Fluß unternommen und sie und ihre Mutter im Auto nach Ascot gefahren; alles ging in der alltäglichsten normalen Art vor sich. Und doch fehlte etwas dabei. Gilbert war sich nicht im geringsten darüber im unklaren.
    Er suchte die Schuld für alles Fehlende bei sich, obwohl er im Widerspruch zu dieser kühlen konventionellen Verlobung so etwas wie ein Romantiker war. Ihre unruhigen Augen hatten ihn wie alle andern Männer nicht näher an sich herankommen lassen. Er fühlte den Abgrund zwischen ihnen, als er seinen Antrag machte, dessen flüssige Gewandtheit sich durch das Fehlen jeglicher Gemütsbewegung auszeichnete. Und sie hatte mit einem leise gemurmelten »Ja« angenommen, ihm eine kalte Wange zum Kuß geboten und war dann schüchtern zurückgetreten.
    Gilbert als Liebender hatte etwas von einem Knaben an sich; von einem Schwärmer und Träumer. Er teilte diese Schwäche mit andern reifen Männern. Denn auch in den tatkräftigsten Männern liegen unerwartete Quellen von Romantik verborgen. Tatsächlich liebte er Edith völlig und ausschließlich.
    Er hatte sie wieder bei der Hand gefaßt und merkte mit Schmerz, den eine leise Beimischung von Belustigung etwas milderte, daß sie sich freizumachen suchte, als Frau Cathcart in das Zimmer trat.
    Sie war eine große, noch schöne Frau, wenn ihr auch das Alter eine gewisse Steifheit verliehen hatte. Ihr Mund war schmal, gerade und streng, ihr Kinn zu scharf, um schön zu sein. Sie lächelte, als sie durch das Zimmer rauschte und dem jungen Mann ihre behandschuhte Hand reichte.
    »Sie sind früh gekommen, Gilbert«, sagte sie.
    »Ja«, entgegnete er verlegen. Hier bot sich ihm die Gelegenheit, die er suchte, doch irgend etwas ließ ihn zaudern, sie aus zunützen.
    Als sich die Tür öffnete, hatte er die Hand des Mädchens losgelassen; sie war unwillkürlich einen Schritt zurückgetreten und beobachtete ihn, die Hände auf dem Rücken, mit gespanntem Ernst.
    »Ich wollte Sie sprechen«, sagte er.
    »Mich sprechen?« fragte Frau Cathcart lächelnd. »Nein, sicherlich nicht mich!«
    Ihr Lächeln galt dem Mädchen wie dem jungen Mann. Aus irgendeinem Grund, über den er sich im Augenblick nicht klarwerden konnte, fühlte sich Gilbert unbehaglich.
    »Ja, ich habe die Absicht, mit Ihnen zu sprechen«, sagte er. »Das ist doch jetzt in diesen besonderen Tagen nichts Auffallendes.« Er lächelte wieder.
    Sie hob den Finger warnend in die Höhe. »Sie dürfen sich nicht um irgendeine der Vorbereitungen kümmern. Ich bitte Sie, das vollständig mir zu überlassen. Sie werden finden, daß Sie keine Ursache zur Klage haben.«
    »Oh, darum handelt es sich nicht«, sagte er hastig. »Es ist etwas… etwas…« Er zögerte. Er wollte ihr den Ernst der Angelegenheit, die ihm am Herzen lag, begreiflich machen. Und eben, als er der Frage einer Unterredung näher kam, dämmerte in ihm ein unklares Bewußtsein der Schwierigkeit seiner Lage. Wie konnte er dieser Frau, die ihm immer nur mit größter Liebenswürdigkeit begegnet war, andeuten, daß er ihr Beweggründe zutraute, die weder ihrem Herzen noch ihrem Verstand Ehre machten? Wie konnte er das Thema seiner Armut aufs Tapet bringen, einer Frau gegenüber, die ihm nicht nur einmal, sondern hundertmal anvertraut hatte, seine aussichtsreiche Zukunft und seine glänzenden Vermögensverhältnisse seien das einzig Störende bei dem, was sie unter einer idealen Liebesheirat verstand! »Ich wünschte fast, Sie wären arm, Gilbert«, hatte sie gesagt. »Ich bin der Ansicht, Reichtum ist geradezu eine Gefahr für zwei junge Leute, wie Sie und Edith es sind.«
    Sie hatte diese Befürchtung wegen seines Reichtums mehr als einmal geäußert. Und doch hatte er auf ein gelegentliches Wort Leslies hin dies alles angezweifelt! Er entsann sich mit wachsender Gereiztheit, daß es Frau Cathcart gewesen war, die die Verbindung zustande gebracht hatte; ein gemein denkender Mensch hätte sogar noch weitergehen und auf die Vermutung kommen können, sie habe ihm Edith verkuppelt. Es gab Begründungen genug für Leslies Verdacht, überlegte er, als er die große
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