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005 - Die Melodie des Todes

005 - Die Melodie des Todes

Titel: 005 - Die Melodie des Todes
Autoren: Edgar Wallace
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herein!« rief er.
    Er schlug die Tür zu, und sie setzten sich neben ihn. Sie waren in einem kläglichen Zustand; das Kleid des Mädchens war völlig durchweicht und ihr Gesicht so naß, als wäre sie gerade aus dem Bad gestiegen.
    »Legen Sie den Mantel ab«, sagte Leslie kurz. »Ich habe ein paar trockene Taschentücher; ich fürchte allerdings, Sie brauchen eher ein Badetuch.«
    Sie lächelte. »Es ist liebenswürdig von Ihnen«, sagte sie. »Wir werden Ihren Wagen schmutzig machen.«
    »Oh, das macht gar nichts«, erwiderte Leslie heiter. »Es ist übrigens nicht mein Wagen.«
    Er fragte sich erstaunt, welch wunderliche Laune Standerton veranlaßt haben mochte, diesen beiden Leuten eine Zuflucht in seiner Limousine zu gewähren.
    Der Alte lächelte, als er zu sprechen begann, und seine ersten Worte enthielten eine Erklärung.
    »Herr Standerton ist immer sehr gut zu mir gewesen«, sagte er höflich, fast demütig.
    Er hatte eine sanfte, wohllautende Stimme. Leslie Frankfort merkte, daß es die Stimme eines gebildeten Mannes war. Er mußte lächeln; denn er war schon zu sehr an Begegnungen mit Standertons Freunden gewöhnt, als daß er über diesen regendurchweichten Straßenmusikanten überrascht gewesen wäre; als solchen schätzte er ihn wenigstens ein nach dem Hals der Geige, der aus seinem durchnäßten Mantel herauslugte.
    »Sie kennen ihn also?«
    Der alte Mann nickte.
    »Ich kenne ihn sehr gut«, erwiderte er.
    Er holte das Instrument hervor, das er unterm Mantel hielt, und Leslie Frankfort sah, daß es eine alte Geige war. Der Alte prüfte sie ängstlich, dann legte er sie mit einem Seufzer der Erleichterung auf seine Knie.
    »Hoffentlich hat sie keinen Schaden erlitten?« fragte Leslie.
    »Nein, Sir«, entgegnete der andre. »Ich hatte schon große Angst, der Tag, der so ersprießlich gewesen war, könnte ein schlimmes Ende nehmen.«
    Sie hätten auf den Downs gespielt und ordentliche Einnahmen gehabt.
    »Meine Enkelin spielt auch«, sagte der Alte. »Wir lieben zwar sonst die große Menge nicht, aber sie bedeutet jedesmal Geld« - er lächelte -, »und unsere Lage erlaubt uns nicht, irgendeine günstige Gelegenheit von der Hand zu weisen.«
    Sie waren nun aus dem Bereich des Unwetters; nachdem sie Sutton hinter sich gelassen hatten, hielt Gilbert mit dem Wagen an und übergab das Steuerrad dem beschämten Chauffeur.
    »Es tut mir sehr leid, Sir«, begann der Mann.
    »Oh, regen Sie sich nicht darüber auf«, lächelte sein Herr; »man braucht sich nicht zu schämen, weil man vor einem Gewitter Angst hat. Mir war früher ebenso übel zumute, bis ich dieser Schwäche Herr geworden bin… es gibt noch schlimmere Sachen«, fügte er, halb für sich, hinzu.
    Während der Mann einige Worte des Dankes stammelte, öffnete Gilbert die Wagentür und stieg hinten ein. Er nickte dem alten Mann zu und begrüßte das Mädchen mit einem kurzen Lächeln.
    »Ich habe Sie gleich erkannt«, sagte er. »Das ist Herr Springs«, wandte er sich an Leslie. »Er ist ein sehr alter Freund von mir. Wenn Sie bei St. Johns Wood gespeist haben, haben Sie sicher schon Springs’ Geige unter dem Eßzimmerfenster gehört. Es ist ein Teil des Programms, nicht wahr, Herr Springs?« erklärte er. »Übrigens«, fragte er plötzlich, »spielten Sie …«
    Er brach ab, und der alte Mann, der den Sinn der Frage mißverstand, nickte bejahend.
    »Jedenfalls«, fuhr Gilbert, plötzlich einen andern Ton anschlagend, fort, »wäre es nicht menschlich gewesen, meine Privatkapelle in den Epsom Downs ertrinken zu lassen, ganz zu schweigen von der Möglichkeit, daß sie vom Blitz erschlagen würde.«
    »Bestand denn diese Gefahr?« fragte Leslie überrascht. Gilbert nickte.
    »Als ich durch die Downs fuhr, sah ich, wie ein armer Teufel getroffen wurde«, sagte er. »Eine Menge Leute standen um ihn herum. Darum habe ich mich nicht um ihn gekümmert und ange halten. Es war ein schrecklicher Anblick.«
    Er schaute durch das kleine ovale Fenster nach rückwärts. »Wir werden es heute abend noch in London haben«, sagte er, »aber in der Stadt wirken Gewitter nicht so gefährlich wie auf dem Lande, sie sind nicht so aufregend. Die hohen Hausdächer haben etwas Beruhigendes für nervöse Leute.«
    In Balham verabschiedeten sie sich von dem alten Mann und seiner Enkelin; als der Wagen seine Fahrt fortsetzte, wandte sich Leslie mit einem verblüfften Ausdruck an seinen Gefährten.
    »Sie sind ein seltsamer Mensch, Gilbert«, sagte er; »ich werde nicht klug
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