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005 - Die Melodie des Todes

005 - Die Melodie des Todes

Titel: 005 - Die Melodie des Todes
Autoren: Edgar Wallace
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»ich bitte dich um eine Gefälligkeit.«
    »Du bittest mich um eine Gefälligkeit?« fragte sie überrascht.
    »Ja, Liebste. Ich muß jetzt fortgehen. Ich bitte dich, irgendeine Entschuldigung deiner Mutter gegenüber zu finden. Es ist mir eine äußerst wichtige Sache eingefallen, an die ich nicht gedacht habe, bevor …«
    Er sprach zögernd; lügen konnte er anscheinend nicht gut.
    »Weggehen!« Es klang mehr nach Überraschung als nach Enttäuschung, stellte er in begreiflicher Gereiztheit fest.
    »Du kannst jetzt nicht fort«, sagte sie und sah ihn furchtsam an. »Mutter würde sehr böse sein. Die Gäste kommen ja schon!«
    Von seinem Platz aus konnte er drei Wagen sehen, die eben fast gleichzeitig vor dem Haus vorfuhren.
    »Ich muß gehen«, sagte er verzweifelt. »Kannst du mich nicht irgendwo hinauslassen? Ich möchte diesen Leuten nicht begegnen; ich habe meine guten Gründe dafür.«
    Sie zögerte einen Augenblick.
    »Wo hast du deinen Hut und Mantel?« fragte sie.
    »In der Diele - du wirst gerade noch Zeit finden«, entgegnete er hastig.
    Schon war sie in der Diele und gleich wieder mit seinem Mantel zurück; sie führte ihn zu dem andern Ende des Empfangszimmers, durch eine Tür, die in die kleine Bibliothek führte. Von da gab es einen Ausgang zu der Garage und zu dem Gäßchen auf der Rückseite des Hauses.
    Verwirrt schaute sie ihm nach. Gleich darauf traf sie im Empfangszimmer wieder ihre Mutter.
    »Wo ist Gilbert?« fragte Frau Cathcart.
    »Fort«, sagte das Mädchen.
    »Fort?«
    Edith nickte.
    »Es ist ihm etwas sehr Wichtiges eingefallen, so daß er nach Hause mußte.«
    »Aber selbstverständlich kommt er zurück?«
    »Ich glaube nicht, Mutter«, sagte sie ruhig. »Ich vermute, daß die Sache sehr dringend ist.«
    »Aber das ist ja Unsinn!« Frau Cathcart stampfte mit dem Fuß auf. »Die Leute, die ich eigens eingeladen habe, damit sie ihn kennenlernen, sind schon alle hier. Es ist schändlich!«
    »Aber Mutter -«
    »Um des Himmels willen, laß dies ›aber Mutter‹!« rief Frau Cathcart.
    Sie waren allein, da sich die Gäste in dem größeren Empfangssalon aufhielten, und es bestand für sie keine Veranlassung, ihren Gefühlen Zwang anzutun.
    »Du hast ihn fortgeschickt, vermute ich«, sagte sie. »Ich kann ihm keinen Vorwurf machen. Wie kannst du erwarten, einen Mann zu fesseln, wenn du ihn behandelst, als sei er ein Gemüsehändler, der um Aufträge bittet?«
    Das Mädchen hörte ergeben zu, ohne die Augen vom Boden zu erheben.
    »Ich tue mein Bestes«, sagte sie mit leiser Stimme.
    »Dein Schlechtestes muß ja recht übel sein, wenn das dein Bestes ist. Nachdem ich alle Anstrengungen gemacht habe, um dich mit einem der reichsten jungen Leute von London zu verheiraten, könntest du wenigstens so tun, als ob seine Anwesenheit dir willkommen sei; aber wenn er der Teufel in eigener Person wäre, könntest du keine größere Abneigung an den Tag legen, wenn du mit ihm beisammen bist, oder eine tiefere Befriedigung, wenn er fortgeht.«
    »Mutter!« sagte das Mädchen, dessen Augen sich mit Tränen füllten.
    »Hör bitte auf mit deinem ewigen ›Mutter‹!« sagte Frau Cathcart nachdrücklich. »Ich ärgere mich noch zu Tode über deine Launenhaftigkeit und deine Vorurteile. Was willst du eigentlich, um alles auf der Welt? Was soll ich dir noch verschaffen?«
    Sie streckte gereizt die Arme aus.
    »Ich will überhaupt nicht heiraten«, sagte das Mädchen leise. »Mein Vater hätte mich nie zu einer Heirat gezwungen.«
    Es war gewagt, so etwas zu sagen; es verriet eine größere Kühnheit, als sie je bei den Szenen mit ihrer Mutter gezeigt hatte. Aber seit einiger Zeit wuchs der Mut in ihrem Herzen. Die Verzweiflung, die, sie zuerst betäubt hatte, glühte nun zur Wut auf; und obwohl sie ihrer wachsenden Verbitterung nur selten und in großen Zwischenräumen Ausdruck gab, nahm ihr Mut mit jedem neuen Wagnis zu.
    »Dein Vater!« schrie Frau Cathcart, weiß vor Wut. »Willst du mir deinen Vater vorhalten? Dein Vater war ein Narr! Ein Narr!«
    Sie brachte das Wort fast zischend hervor. »Er hat mich ruiniert, ebenso wie dich, weil er nicht Verstand genug hatte, um sein ererbtes Vermögen zusammenzuhalten. Ich glaubte, er sei ein umsichtiger Mann. Zwanzig Jahre lang habe ich zu ihm aufgeschaut wie zu einer Verkörperung von Weisheit, Güte und Geist, und in diesen zwanzig Jahren hat er es fertiggebracht, sein Vermögen mit allen möglichen albernen Spekulationen zu verplempern, zu denen er sich durch
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