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005 - Die Melodie des Todes

005 - Die Melodie des Todes

Titel: 005 - Die Melodie des Todes
Autoren: Edgar Wallace
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elegante Frau vor sich ansah.
    »Hätten Sie eine Viertelstunde für mich übrig…« Er hielt ein; er wollte sagen »vor dem Essen«, dachte aber dann, daß eine Besprechung nach dem Essen wohl ungestörter verlaufen würde.
    »… nach dem Essen?«
    »Mit Vergnügen«, lächelte sie. »Was haben Sie nur? Wollen Sie Jugendsünden beichten?«
    Er verzog leicht den Mund und schüttelte den Kopf.
    »Sie können sicher sein, daß ich Ihnen so etwas nie erzählen würde«, sagte er.
    »Dann werde ich also nach dem Essen mit Ihnen sprechen«, stimmte sie bei. »Es kommen eine Menge Leute heute abend, und ich weiß kaum, wie ich mit der Arbeit fertig werden soll. Ihr Bräutigame«, sie tätschelte ihn vorwurfsvoll auf die Schulter, »habt keine Ahnung, welche Verwirrung ihr in das häusliche Leben eurer unglücklichen künftigen Verwandtschaft bringt.«
    Edith stand immer noch in der gleichen Haltung da, die sie eingenommen hatte, als Gilbert ihre Hand losließ; neugierig beobachtete sie die Vorgänge, ohne daran teilzunehmen. Diese Wirkung übte Frau Cathcarts Gegenwart jedesmal auf ihre Tochter aus, wie Gilbert schon oft verwundert bemerkt hatte. Nicht, als würde sie von ihr in den Schatten gestellt oder beiseite geschoben; es schien vielmehr, als habe der Eintritt der nächsten Schauspielerin sofort den Abgang der Darstellerin im Gefolge, die vorher auf der Bühne die Hauptrolle gespielt hatte. Er konnte sich vorstellen, daß Edith zwischen den Kulissen auf das Stichwort wartete, das sie wieder zur handelnden Person machen würde, und dieses Stichwort war regelmäßig das Fortgehen ihrer Mutter.
    »Es kommt eine ganze Reihe netter Leute heute abend, Gilbert«, sagte Frau Cathcart mit einem Blick auf einen Papierstreifen in ihrer Hand. »Einige davon sind Ihnen unbekannt, und von einigen wünsche ich sehr, daß Sie sie kennenlernen. Ich bin überzeugt, Doktor Barclay-Seymour zum Beispiel wird Ihnen gefallen . , .«
    Ein unterdrückter Ausruf unterbrach sie, und sie blickte schnell auf.
    Aber Gilbert hatte sein Gesicht schon wieder in der Gewalt: Es war vollständig ausdruckslos. Das Mädchen beobachtete ihn verwundert.
    »Was ist Ihnen?« fragte Frau Cathcart.
    »Nichts«, sagte Gilbert gelassen, »Sie sprachen eben über Ihre Gäste…«
    »Ich wollte sagen, daß Sie Doktor Barclay-Seymour kennenlernen müssen - er ist ein ganz reizender Mann. Ich glaube, Sie kennen ihn noch nicht?«
    Gilbert schüttelte den Kopf.
    »Nun, das müssen wir nachholen«, meinte sie. »Er ist ein lieber Freund von mir; warum er eigentlich seine Praxis in Leeds ausübt, statt eine Klinik in der Harley Street zu leiten, davon habe ich nicht die leiseste Ahnung. Das Tun und Lassen der Männer ist unbegreiflich. Dann ist noch da…« Sie las eine Reihe von Namen herunter, von denen Gilbert einige kannte. »Wieviel Uhr ist es?« fragte sie plötzlich. Gilbert blickte auf seine Uhr.
    »Viertel vor acht? Ich muß gehen«, sagte sie. »Ich werde gleich nach dem Essen mit Ihnen sprechen.«
    Als sie an der Tür angelangt war, wandte sie sich unschlüssig nochmals um.
    »Darf ich vielleicht annehmen, daß Sie Ihren absonderlichen Plan ändern wollen?« fragte sie erwartungsvoll. Gilbert hatte seinen Gleichmut wiedergefunden.
    »Ich weiß nicht, welchen absonderlichen Plan Sie meinen.«
    »Ihre Flitterwochen in der Stadt zu verbringen.«
    »Ich glaube, man sollte das Gilbert überlassen.« Dies sagte das Mädchen; zum erstenmal mischte sie sich in das Gespräch. Ihre Mutter warf ihr einen scharfen Blick zu.
    »In diesem Fall, meine Liebe«, sagte sie eisig, »handelt es sich um eine Sache, die mich mehr angeht als dich selbst.«
    Gilbert beeilte sich, das Mädchen vor dem Ausbruch eines Sturmes zu schützen. Frau Cathcart geriet leicht in Zorn; obgleich Gilbert noch niemals ihre scharfe Zunge zu fühlen bekommen hatte, hegte er den bösen Verdacht, seine künftige Frau sei ihr schon mehr als einmal zum Opfer gefallen.
    »Es ist unbedingt nötig, daß ich zu der Zeit, die Sie meinen, in der Stadt bin«, sagte er. »Ich habe Sie gebeten-«
    »Die Hochzeit zu verschieben. Mein lieber Junge, das kann ich unmöglich. Es wir doch keine ernstgemeinte Bitte, nicht wahr?«
    Sie lächelte ihm so süß zu, wie es ihre augenblickliche Stimmung erlaubte.
    »Ich glaube nicht«, murmelte er unsicher.
    Weiter sagte er nichts mehr, sondern wartete, bis die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte; dann wandte er sich rasch zu dem Mädchen.
    »Edith«, stieß er hervor,
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