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0042 - Herr der wilden Wasser

0042 - Herr der wilden Wasser

Titel: 0042 - Herr der wilden Wasser
Autoren: Susanne Wiemer
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Unermesslichkeit der vierten Dimension verlieren könnten, ließ ihn sofort handeln. Er stieß sich ab, schnellte vorwärts, fiel pfeilgerade wie ein Turmspringer, und diesmal hinderte ihn keinerlei panische Reaktion daran, die gespenstische Verwandlung bewusst wahrzunehmen.
    Wieder spürte er die seltsame brennende Kälte, als sein Körper in den Lavasee eintauchte.
    Dunkelheit umfing ihn. Eine Dunkelheit, die jedes körperliche Empfinden auslöschte, ihm das Gefühl vermittelte, gewichtslos in unermesslichen Räumen zu schweben. Er sah nichts, spürte nichts, nahm keinerlei Geräusch wahr. Raum war um ihn. Unendlicher Raum. Vorstellungen bildeten sich in seinem Gehirn, Bilder, die verschwanden, ehe er sie entziffern konnte – und irgendwann schien eine Art unsichtbarer Kraftstrom in sein Bewusstsein zu dringen, der alles veränderte und dessen Natur er sich nicht erklären konnte.
    Es war, als erreiche aus der Tiefe der Finsternis ein Ruf sein Ohr.
    Er war nicht sicher, dass er wirklich hörte. Seine Sinne schliefen, nur sein Bewusstsein war lebendig. Aber dieses Bewusstsein empfing klar und deutlich die Botschaft, und er spürte mit jeder Faser, dass es ein Hilferuf war und dass er ihn nicht ignorieren konnte. Er wusste nicht genau, was geschah. Tief in ihm konzentrierte sich eine unbekannte geistige Kraft, und die Schwärze um ihn verwandelte sich. Der weite Raum war nicht mehr leer, sondern schien ihn zu tragen wie Wasser. Er wollte sich bewegen, suchte den Kontakt zu dieser dichten und gleichzeitig durchlässigen Materie und vermochte es nicht. Die Schwärze drang in ihn ein, überschwemmte seinen Geist gleich einer dunklen Flut, und für einen Moment versank er in tiefe Bewusstlosigkeit.
    Nur Sekunden später erwachte er wieder – mit der gleichen Plötzlichkeit, mit der die sinnliche Wahrnehmung zurückkehrte. Vom ersten Moment an war die Erinnerung da – und diesmal fand er sich schneller zurecht, weil er das alles schon einmal erlebt hatte.
    Wieder lag er auf den Felsen der Höhle, wieder war der gespenstische Widerschein der glühenden Lava das erste, was er sah, als er die Augen öffnete. Mühsam stemmte er sich hoch, wandte den Kopf – und der Anblick seines Freundes, der neben ihm fast gleichzeitig zu Bewusstsein kam, erfüllte ihn mit tiefer Erleichterung.
    Bill stöhnte gepresst.
    Er stützte sich auf den Ellenbogen, wischte sich mit einer fahrigen Geste über das Gesicht. Für einen Moment verharrte er reglos, dann atmete er tief durch und blickte zu Zamorra hinüber.
    »Haben wir’s geschafft?«, fragte er heiser.
    Der Professor presste die Lippen zusammen. Wenn seine Vermutungen stimmten, dann hatten sie es tatsächlich geschafft, dann mussten sie wieder in der Gegenwart gelandet sein. Aber da war die Erinnerung an den Ruf, der ihn erreicht hatte, an seine eigene geistige Reaktion, die – vielleicht – ihre Reise durch die Zeit gestoppt und die Richtung verändert hatte. Die Höhle, die vom Widerschein des Lavasees erfüllt war, verriet nichts – aber Zamorra hatte das deutliche Gefühl, dass sie eine Überraschung erleben würden, sobald sie den Ausgang erreichten.
    »Ich weiß nicht«, sagte er leise. »Wir müssen nachsehen.«
    »Du glaubst – dass etwas schief gegangen ist?«
    Zamorra hob die Achseln. Er stand auf, auch Bill kam auf die Beine. Ohne ein weiteres Wort wandten sie sich nach links, tauchten in die totale Finsternis des Gangs und tasteten sich vorsichtig an den Felswänden weiter.
    Eine Viertelstunde später sahen sie den ersten hellen Schimmer – und nach einigen weiteren Minuten traten sie hinaus ins Sonnenlicht.
    Eine Winterlandschaft lag vor ihnen.
    Nicht die heiße, von Leben überquellende Landschaft der Kreidezeit – aber auch nicht die zerrissene Wildnis Islands, an die sie sich erinnerten.
    Die schwarzen Äste von abgestorbenen Sträuchern ragten aus dem Schnee, Nadelbäume ballten sich zu dunklen, seltsam bedrohlichen Flecken zusammen. In einiger Entfernung jagte eine kleine Herde pferdeähnlicher Tiere dahin, ein Heulen wie von Wölfen klang von den Bergkämmen herüber – und der Schauer, der über Zamorras Haut kroch, rührte nicht nur von der empfindlichen Kälte her.
    »Da!«, flüsterte Bill neben ihm erschrocken.
    Er wies auf eine bestimmte Stelle auf der Schneedecke. Blut verfärbte die weiße Fläche, und es gab Spuren. Eine breite Schleifspur, als sei ein erlegtes Riesentier weggeschafft worden, plumpe Abdrücke wie von großen, mit Fell oder Leder
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