Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0042 - Herr der wilden Wasser

0042 - Herr der wilden Wasser

Titel: 0042 - Herr der wilden Wasser
Autoren: Susanne Wiemer
Vom Netzwerk:
erschöpft blieb sie liegen, starrte die Erscheinung in ihrer unheimlichen, gleißenden Aura an. Erneut begann der Alte zu sprechen – und diesmal konnten auch Zamorra und Bill die Worte verstehen.
    »Du wirst sterben… Sterben als Opfer für die Götter, die dir dafür in einer anderen Dimension das ewige Leben schenken … Wenn eines einzigen Menschenwesens Geist mir widersteht, so ist meine Macht gebrochen … Du aber wirst auf die Welt zurückkehren … Zehnmal hundert Jahre wirst du keine Ruhe finden, und dann wirst du mein Werk vollenden …«
    Nicole flüsterte etwas.
    Dann schrie sie…
    »Nein!«, gellte ihre verzweifelte Stimme. »Nein! Nein!«
    Und gleichzeitig hob der Alte den Stab, schwang ihn hoch in die Luft und holte aus, um sein Opfer mit einem einzigen Hieb zu erschlagen.
    Zamorra handelte blitzartig.
    Schon während der letzten Minute hatte er seinen Platz verlassen, sich zwischen den Felsen weitergearbeitet – jetzt trennten ihn nur noch wenige Schritte von dem Basaltblock. Niemand hatte ihn gesehen, aller Augen hingen an dem unglücklichen Opfer auf dem Altarstein. Mit einem Ruck riss sich Zamorra Parka und Hemd auf, und während er mit zwei, drei Sprüngen mitten auf der Felsenterrasse stand, nahm er das Amulett vom Hals und schlang sich die dünne Kette um das Gelenk der Rechten.
    Der Alte erstarrte mitten in der Bewegung.
    Immer noch schwang er den massiven Stab hoch über dem Kopf – aber er schaffte es offenbar nicht, ihn herabsausen zu lassen. Das Amulett strahlte, vibrierte, schien silberne Strahlen auszuschicken, die die hohe Gestalt des Weißbärtigen wie Pfeile trafen. Sein Gesicht verzerrte sich, die Augen wurden weit und durchsichtig wie Glas.
    Zamorra starrte ihn an, beobachtete ihn mit angehaltenem Atem – und hinter sich hörte er vielstimmiges, erschrockenes Stöhnen von kehligen Stimmen.
    Die Aura, die den Magier umgab, erlosch wie der Widerschein einer Kerzenflamme.
    Sein Arm sank herab, der Stab zitterte. Fast unmerklich veränderten sich die Konturen der Erscheinung, verschwammen, wurden dunkler, als schimmere bereits der schwarze Basalt der Felswand durch. Der Alte öffnete die Lippen, seine Muskeln verkrampften sich wie unter einer ungeheuren Anstrengung – aber er schaffte es nicht mehr, eine seiner Beschwörungen auszustoßen.
    Für einen Moment glich seine Gestalt der blassen Projektion auf einer Filmleinwand.
    Ein heller Schein schien seine Glieder aufzusaugen. Zwei, drei Sekunden lang tanzte eine Feuersäule aus seltsamen eisfarbenen Flammen vor der Felswand, dann war nur noch eine helle, dunstige Wolke übrig. Dunst, der zerfaserte, verschwamm, sich auflöste – und im nächsten Moment verschwunden war, als habe es ihn nie gegeben.
    Zamorra wandte sich um.
    Mit einem Schrei wichen die beiden Männer vor ihm zurück, die Nicole festgehalten hatten.
    Taumelnd richtete die junge Frau sich auf, umklammerte mit zitternden Fingern die Steinkante. Bill sprang hinzu, ergriff ihren Arm und stützte ihn, und Zamorra machte langsam einen Schritt in Richtung auf den dichten Kreis der Menschen.
    Sie waren aufgesprungen.
    Wild gestikulierten sie, redeten erregt und in kehligen Lauten durcheinander, reckten Fäuste, die mit Speeren, Keulen und schweren Steinen bewehrt waren. Für sie stellte der weißbärtige Alte eine Gottheit dar. Jetzt war er verschwunden, die unheimlichen Eindringlinge hatten ihn vertrieben, hatten gegen ihn gefrevelt – und es gab keinen Zweifel, dass die Menschen entschlossen waren, die Frevler zu bestrafen.
    Zwei, drei von den kräftigen, in Felle gehüllten Gestalten rückten bereits vor.
    Nur noch wenige Meter trennten sie von den Opfern. Zamorra hielt immer noch das Amulett in der Rechten – aber er wusste nur zu gut, dass es ihm nichts nützen würde. Mit einer raschen Bewegung schob er es in die Tasche und presste die Lippen zusammen, während er nach dem Smith & Wesson-Revolver mit den Silberkugeln griff.
    Er schoss in die Luft, als der erste Gegner mit dem Speer ausholte.
    Gegner?
    Ihm war klar, dass er diese Menschen nicht als Gegner, als Feinde betrachten konnte, und er wusste auch, dass es ihm selbst im äußersten Notfall sehr schwer fallen würde, einen von ihnen zu verletzen oder zu töten. Seine Kiefermuskeln spielten.
    Laut und peitschend wurde der Knall des Schusses von der Felswand zurückgeworfen – und in den Nachhall mischten sich die ersten Entsetzensschreie.
    Die fellumhüllten Gestalten wichen zurück.
    Langsam, mit verzerrten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher