Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0042 - Herr der wilden Wasser

0042 - Herr der wilden Wasser

Titel: 0042 - Herr der wilden Wasser
Autoren: Susanne Wiemer
Vom Netzwerk:
Elefanten. Wie lange ausgestorben? Sie wusste es nicht. Aber in ihrer Erinnerung gab es Bilder, blasse Projektionen von vergessenen Lehrbuch-Abbildungen, und sie wusste, dass es in dieser Welt nicht nur wilde Tiere gab, sondern auch Menschen.
    Eine Art von Menschen!
    Mammutjäger. Gestalten in Fellkleidung, mit Faustkeilen und Speeren bewaffnet. Primitive Höhlenbewohner und…
    Das Stampfen, das den Boden erzittern ließ, riss sie aus ihren Überlegungen. Sie starrte das gigantische Tier an, das langsam auf sie zukam. Die weißen, gebogenen Stoßzähne glänzten im Licht, der Rüssel hob sich. Wie ein schmetternder Trompetenstoß dröhnte das Brüllen des Tieres durch das Tal, und Nicole begann, mit kleinen, mechanischen Schritten zurückzuweichen.
    Das Mammut verharrte.
    Die geröteten Augen blickten zu der schmalen Gestalt hinüber.
    Nicole hatte das Gefühl, den Ausdruck von Wut, Tücke, Hinterhältigkeit in diesen kleinen Augen zu lesen, sie machte noch einen raschen, überhasteten Schritt rückwärts – und dabei verhakte sich ihr Fuß hinter einem Stein.
    Sie stolperte, verlor das Gleichgewicht.
    Hart prallte sie auf den Rücken. Ihr Kopf schlug gegen einen Stein, und in das Rauschen des Blutes in ihren Ohren mischte sich erneut der Nerven zerfetzende Trompetenton.
    Gleichzeitig bemerkte die junge Frau die huschenden Bewegungen ringsum.
    Gestalten tauchten auf.
    Gestalten, die zwischen den Felsen gelauert haben mussten.
    Nicole sah sie nur wie durch einen Schleier. Braune Gesichter. Zottiges schwarzes Haar, Felle um stämmige Körper, Fäuste, die irgendwelche Waffen umspannten. Das Mammut brüllte, stampfte den Boden. Um Nicole drehte sich alles, und der rasende Wirbel ihres Herzschlags schien sich mit den Geräuschen des furchtbaren Kampfes zu mischen, den sie nur undeutlich wahrnahm.
    Blindlings stemmte sie sich hoch, aus einem Impuls heraus.
    Eine Sekunde lang sah sie den mächtigen Schatten des Mammuts, umringt von Gestalten, die zwergenhaft wirkten und mit wilder Verbissenheit ihre kurzen Speere auf den gigantischen Gegner schleuderten – dann wurde es schwarz vor ihren Augen. Kraftlos fiel sie zurück, hatte das Gefühl, in einem dunklen, unergründlichen Strudel zu versinken. Ihre Muskeln erschlafften, ihr Kopf sank zur Seite, und die Empfindungslosigkeit tiefer Ohnmacht entspannte ihre Züge.
    Sie hörte nicht mehr den weithin hallenden Todesschrei des Mammuts.
    Sie sah auch nicht, wie sich die Gestalten von dem niederbrechenden Riesenkörper lösten, durch den Schnee kamen, scheu und verwirrt in einiger Entfernung stehen blieben. Kehllaute flogen hin und her, starke, behaarte Arme gestikulierten. Einer der Männer kam schließlich näher, und in dem breiten, wie mit der groben Klinge aus dunklem Holz geschnitzten Gesicht mischten sich Neugier und Furcht mit tiefem Staunen. Er winkte.
    Auch die anderen näherten sich, widerstrebend zuerst. In dichtem Kreis umstanden sie die Bewusstlose, starrten sie an, murmelten, gestikulierten – und schließlich formte sich ein Entschluss aus der erregten Debatte. Nicole Duval spürte nicht, dass sie von kräftigen Fäusten gepackt und durch das Tal zu einem der steilen Hänge geschleppt wurde…
    ***
    Bill Fleming presste die Zähne so hart aufeinander, dass seine Kiefermuskeln wie Stränge hervortraten.
    Er starrte in den Krater hinab. Widerstrebend löste er den Blick von der glühenden, brodelnden Lava, sah Zamorra an und schüttelte den Kopf.
    »Verrückt«, krächzte er. »Du kannst sagen, was du willst – mir kommt es so vor, als würden wir sehenden Auges Selbstmord begehen.«
    »Wir haben keine Wahl, Bill. Es sei denn, wir bleiben, wo wir sind – beziehungsweise eben noch waren.«
    »In der Kreidezeit«, knurrte Bill sarkastisch. »Und irgendwann findet irgendein moderner Wissenschaftler unsere fossilen Knochen und revolutioniert das gesamte Weltbild, falls er nicht in einer Irrenanstalt landet. Oh Mann…«
    Zamorra lächelte matt. »Also springen wir! Es hat wenig Sinn, lange zu überlegen.«
    Bill nickte nur.
    Sein Gesicht war verzerrt, die Lippen bildeten einen dünnen, blutleeren Strich. Einen Moment lang starrte er noch in den Lavasee hinab, und dann überlegte er tatsächlich nicht mehr länger.
    Er schloss die Augen – und machte einen Schritt ins Leere.
    Sein Körper verkrampfte sich während des Sturzes. Zamorra wartete nicht erst, bis die glühende Lava seinen Freund verschlang – die Befürchtung, dass sie sich irgendwo in der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher