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0041 - Die Treppe ins Nichts

0041 - Die Treppe ins Nichts

Titel: 0041 - Die Treppe ins Nichts
Autoren: Franc Helgath
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überspannte und seinen Widerschein auf die weißen Mauern warf, wurde noch unwirklicher. Es veränderte sich in einen Gelbton hinüber, und jetzt wusste auch Piere Laguère, dass diese Erscheinungen nicht mehr wirklich sein konnten.
    Mit einer unsichtbaren Faust griff nackte Angst an seine Kehle.
    Auch die Töchter hinter ihm standen wie erstarrt.
    Das Tor war mit einem berstenden Krachen zugefallen.
    Laguère wollte schreien, doch er konnte es nicht. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Jetzt waren seine Augen genauso weit wie die der Tochter Nana, als sie mit Schrecken hinausgestarrt hatte in eine entfesselte Natur.
    Das Gelb des Himmels wandelte sich in einen Orangeton. Piere Laguère fühlte sich wie unter einer riesigen Käseglocke, die diesen grausigen Ort von der Umwelt abschirmte. Und es war ein grausiger Ort.
    Hatten bisher noch leichte Zweifel seine Hoffnung genährt, so wurde er sofort eines Besseren belehrt.
    Unter den maurischen Bögen der Säulenhalle öffnete sich eine Tür.
    Eine Gestalt trat ins Freie. Ein ungeheuer hagerer Mann. Sein Alter war unmöglich zu schätzen.
    Sein weißer, bis an das Brustbein reichender Bart sah aus, als hätte er Rostflecken. Er floss in wohlgeordneten Locken herab auf die altertümliche Kleidung. Die Pluderhosen waren an den Oberschenkeln durchbrochen und ähnelten damit der Kleidung, wie spanische Söldner des ausgehenden 15. Jahrhunderts sie trugen. Die dürren Beine steckten in einem schwarzen engen Trikot, das sogar die heraustretenden Adern an den Waden erkennen ließ. Schwarz war auch das silbern bestickte Wams mit den Puffärmeln, aus denen blutig rot der Unterstoff gleißte.
    Eigentümlich flackerten die dunklen Augen des Mannes unter der hohen Stirn, auf der ein spitz zulaufender, breitkrempiger Hut saß.
    Eine Feder wippte keck. Die Schwanzfeder eines Fasanenmännchens. Sie schillerte wie Öl auf brackigem Wasser.
    Die Augen der Gestalt wandten sich in ihre Richtung und schienen sich förmlich an den drei Ankömmlingen festzusaugen. Die Lippen breiteten sich zu einer Art Lächeln aus, wie es Piere Laguère noch nie vorher gesehen hatte.
    Freude war daraus zu lesen, Erstaunen und vielleicht sogar eine Spur von Mitleid. Doch das Mitleid verschwand zuerst wieder aus diesem Blick. Die Gestalt setzte sich in Bewegung und kam mit seltsam gestelzten Schritten auf die drei Menschen zu.
    Wie ein stolzer Reiher, durchfuhr es den Bäcker Piere Laguère.
    Doch das war der letzte Gedanke, den er fassen konnte.
    Leere breitete sich plötzlich aus in seinem Gehirn. Nur sehen konnte er noch, denken konnte er nicht mehr.
    Er war wie seine Töchter gefangen und gebannt von dieser Gestalt. Und diese Gestalt konnte kein Mensch sein.
    Laguère registrierte gerade noch, dass er von einer leichenartigen Starre befallen wurde. Eine Starre, gegen die er sich nicht wehren konnte. Er wollte sich umdrehen, doch sein Körper gehorchte nicht mehr seinem Willen. Er schaute den weißbärtigen Mann mit dem spitzen Hut an.
    Kein Wort war gefallen, seit sie den Burghof betreten hatten.
    Doch jetzt bewegten sich die Lippen der Gestalt, deren Alter nicht zu bestimmen war, und die aus den vergilbten Seiten vergessener Geschichtsbücher entstiegen schien.
    »Herzlich willkommen auf meinem bescheidenen Gut. Gäste sind hier selten, müssen Sie wissen.«
    Laguère verstand jedes Wort, obwohl die Gestalt spanisch gesprochen hatte. Dabei hatte der einfache Bäcker nie spanisch gelernt. Es war kein normales Verstehen. Die Lippen des Spitzhütigen bewegten sich zwar, doch seine Stimme klang im Gehirn Laguères.
    »Ich freue mich wirklich außerordentlich«, klang es hohl. »Würden Sie mir bitte ins Innere folgen.«
    Die Gestalt in der antiquierten Kleidung wandte sich um. Mit hoch erhobenem Kopf stolzierte sie voraus. Verwundert sah Piere Laguère auf seine Beine hinunter. Ohne dass er es wollte, setzten sie sich in Bewegung. Er war reiner Zuschauer. Sein Körper bewegte sich von selbst, als würde an unsichtbaren Fäden gezogen.
    Die Tür unter dem Arkadengang war offen geblieben. Kunstvoll gefertigte Mosaike erinnerten fern an die Pracht der Alhambra.
    Die Gestalt schritt voraus, und der Bäcker und seine jungen Töchter folgten. Ihr Wille war gelähmt, obwohl ihre Sinne jede Einzelheit wahrzunehmen imstande waren.
    Sie kamen in eine riesige Halle, durch deren farbige Glasfenster das Innere in eine verwirrende Vielfalt von Farben getaucht wurde.
    Ein Süchtiger, der LSD schluckte, hätte vielleicht
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