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004 - Geister im Moor

004 - Geister im Moor

Titel: 004 - Geister im Moor
Autoren: B.R. Bruss
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einen ziemlich lebhaften, durchdringenden Blick.
    Dann stellte mir der Doktor die übrigen Gäste vor: »Mr. Lionel Wharf, unser Postbeamte. Er ist nicht von hier. Und Mr. Arthur Gribb. Er ist noch weniger von hier. Er ist gekommen, um das Grundbuch zu überprüfen, und wird uns in zwei Monaten wieder verlassen. Und, last not least, Mr. Adam Small. Er ist aus Guilclan. Er ist schon seit der Steinzeit hier ansässig. Er ist unser vielgeliebter Notar. Sprechen Sie sehr laut, wenn Sie mit ihm reden, er ist stocktaub.«
    Ich nannte meinen Namen und schüttelte den drei Herren die Hände. Der Postbeamte, der etwa vierzig Jahre alt sein mochte, hatte nichts Bemerkenswertes an sich. Der Beamte des Katasteramts war ein brünetter junger Mann, der einen freundlichen Eindruck machte. Ich fand die beiden uninteressant für mich, da sie nicht aus Guilclan waren. Der Notar dagegen hatte einen ungewöhnlichen Charakterkopf: Nicht ein einziges Haar auf dem Schädel, kein Schnurrbart, kein Barthaar, und ein Gesicht, das noch länger war als das von Gilcross, gelb wie das eines Leberkranken und von so vielen senkrechten Falten durchzogen, das es aussah, als wäre jemand mit einer Egge darüber hinweggegangen. Außerdem war er uralt. Achtzig vielleicht? Oder älter? Schwer zu sagen. Er kam mir übrigens schon recht senil vor – trotz der riesigen Augen eines Grandseigneurs, die mich aufmerksam beobachteten.
    Die einzigen Worte, die der Notar an diesem Abend äußerte, waren: »Sie wundern sich vielleicht, mein Herr, weshalb ich hier im Hotel meine Mahlzeiten einnehme? Nun, ich esse seit zehn Jahren hier, weil meine alte Dienerin es vierzig Jahre lang nicht lassen konnte, mir einen Pudding zu servieren, den ich nicht mag.«
    Meine Antwort verstand der alte Herr jedoch nicht, und nachdem ich sie dreimal gebrüllt hatte, gab ich auf.
    Während des Essens wurde die Unterhaltung allein von dem Doktor, dem jungen Gribb und mir bestritten. Gilcross und der Postbeamte blieben stumm. Sally, die uns bediente, warf mir jedes Mal, wenn sie erschien, einen verängstigten Blick zu.
    Nach dem Essen zog mich der Dr. Arnold beiseite und lud mich noch zu einem Drink und einem Schwätzchen ein. Seine Einladung abzulehnen, wäre dumm gewesen. Der Arzt musste vieles über Guilclan und seine Bewohner wissen. Wir setzten uns in zwei Sessel in einer Ecke, und Sally brachte uns unaufgefordert eine Flasche Whisky und zwei Gläser. Arnold bot mir eine Zigarre an und nahm sich auch selbst eine. Als wir beide behaglich schmauchten, sagte er plötzlich lächelnd: »So, so, Sie sind also hierher gekommen, um einen Roman zu schreiben.«
    Ich sah ihn verblüfft an. Dann kam mir in den Sinn, das er ebenso wie Betty in einer Zeitschrift etwas über mich gelesen haben konnte. Ich fragte aber trotzdem: »Woher wissen Sie das?«
    »Ein Gerücht. Man flüstert es sich zu.« Aber dann lachte er auf. »Nein, nein die hinkende Zwergin hat es mir gesagt, die Hellseherin Pamela.«
    »Sie heißt Pamela? Aber woher weiß sie, das ich …?«
    »Sie weiß es eben. Sie weiß vieles. Sie weiß alles.«
    Ich war ehrlich perplex. »Und wann hat Sie es Ihnen gesagt?«
    »Kurz vor dem Abendessen, draußen auf dem Platz. Da ich mich um ihr Magenleiden kümmere, sind wir sozusagen Vertraute geworden … Aber sprechen wir von Ihnen. Ich kenne Ihren Namen, aber keine Angst, von mir hören Sie keine Kritik. Ich habe Ihre Bücher nicht gelesen. Ich lese nie. Habe keine Zeit dafür. Aber wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann …«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen.«
    »Durchaus nicht. Ich bin von Natur aus hilfreich. Was suchen Sie denn hier in Guilclan?«
    »Eine Inspiration«, erwiderte ich. »Atmosphäre.«
    »Atmosphäre? Nun, die haben Sie hier! Ich bezweifle, dass es in der ganzen Welt ein finstereres Eckchen gibt als Guilclan. Wenn es das ist, was Sie suchen, haben Sie es gefunden.«
    Ich musste lachen. »Ja, das ist ungefähr das, was ich suche. Aber wenn dieser Ort so unangenehm ist, warum …?«
    »Unangenehm? Ich habe nicht gesagt, dass er unangenehm ist. Er ist sogar sehenswert, wie ein besonders kunstvoll gearbeiteter, aber höchst bizarrer Grabstein. Guilclan zerfällt in Ruinen, und die Bevölkerung nimmt langsam aber sicher ab. Das hindert sie aber nicht daran, ihre Intrigen, ihre Gerüchte, ihre Streitereien und stillen Messen zu haben … Das Dorf ist mehr oder weniger in zwei Lager gespalten, zwei Familiengruppen, die sich nicht ausstehen können. Man findet hier viele
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