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004 - Geister im Moor

004 - Geister im Moor

Titel: 004 - Geister im Moor
Autoren: B.R. Bruss
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dicken Vorhänge vor. Schwarze Vorhänge, wie ich mit Erstaunen feststellte. Ich hatte Hunger. »Um welche Zeit wird zu Abend gegessen?« fragte ich.
    Die Hotelbesitzerin antwortete mir nicht. Ihre dunklen Augen hatten einen abwesenden Ausdruck. Mein Freund Anthony hatte recht, als er sie mir als etwas »merkwürdig« und manchmal »schlafwandlerisch« beschrieb.
    Unvermittelt fragte sie: »Das war Betty Salforth, die Sie hergebracht hat. Kennen Sie sie?«
    »Überhaupt nicht. Ich war gerade in New Guilclan angekommen und wusste nicht, wie ich hierher gelangen sollte. Ich traf sie in einem Café. Sie erfuhr, in welcher Verlegenheit ich mich befand, und erbot sich, mich in ihrem Wagen mitzunehmen. Wer ist sie?«
    Mrs. Gull setzt ein etwas rätselhaftes Lächeln auf. »Sie ist die einzige Tochter von Sir David Salforth. Er ist Witwer. Die Salforths sind eine der ältesten Familien hier. Ihnen gehört etwa die Hälfte aller Häuser in New Guilclan sowie mehrere Hotels, das Kasino und das Golfgelände. Es war ihr Großvater, der vor fünfzig Jahren das Seebad gegründet hat. Sie besitzen Hunderte von Hektar Land in der Umgegend, Farmen und Äcker. Es heißt, dass sie außerdem an Banken in Glasgow und Edinburg beteiligt sind. Sie wohnen in Roaldmor, dem alten Herrensitz der Salforth, etwa zwei Kilometer von Guilclan entfernt. Kurz bevor man nach Guilclan kommt, geht links ein Weg von der Bergstrasse ab, der nach Roaldmor führt.«
    Ich war nicht einmal so sehr überrascht. Vom ersten Augenblick an hatte ich den Eindruck gehabt, dass die junge Unbekannte eine Aristokratin war.
    »Sie ist sehr liebenswürdig«, meinte ich.
    »Sehr liebenswürdig, ja. Hat sie Sie ins Herrenhaus eingeladen?«
    »Nein, und ich wüsste auch nicht, weshalb sie das hätte tun sollen.«
    Mrs. Gull betrachtete mich irgendwie beunruhigt. »Oh, das wird sie aber noch tun. Später … wenn Sie einige Zeit hier bleiben. Dabei fällt mir ein, das ich Sie noch gar nicht gefragt habe, ob Ihr Aufenthalt hier kurz oder lang sein wird.«
    »Das weiß ich selbst noch nicht. Vielleicht bleibe ich nur drei oder vier Tage, vielleicht ein paar Monate.«
    Sie sah mich aufmerksam an. »Sie bleiben mehrere Monate.«
    Ihr Gesichtsausdruck erinnerte mich tatsächlich an den einer Schlafwandlerin.
    »Woher wollen Sie das wissen?« fragte ich.
    »Ich irre mich nie.«
    Es entstand ein kurzes Schweigen. Ihre Sicherheit verwirrte mich. Mechanisch blickte ich auf eine der schwarz gerahmten Lithographien an der Wand.
    »Das ist Roaldmor, das alte Herrenhaus der Salforths«, erklärte Mrs. Gull. »Es stammt aus dem 13. Jahrhundert.« Das Haus, in einer wilden Berglandschaft gelegen und umgeben von Wiesen und Bäumen, machte einen sehr massiven Eindruck mit seinen dicken Türmen, den Wehrgängen, den großen, grob und dunkel wirkenden Steinen und dem riesigen Portal. Es war eigentlich kein Herrenhaus, sondern eine richtige Burg.
    »Es hat sich sehr verändert, seit diese Zeichnung gemacht wurde«, erklärte Mrs. Gull. »Das Schloss selbst nicht, aber man hat einen Park und Blumenbeete angelegt, und einen Tennisplatz und ein Schwimmbassin gibt es inzwischen auch. Der Wald dahinter ist jedoch immer noch so dunkel und so dicht.«
    Eine romantische Behausung, das musste ich zugeben. Ich begann zu begreifen, warum Betty phantastische Romane liebte, wie ich sie schrieb.
    »Woher wussten Sie, dass es Miss Salforth war, die mich hergebracht hat?« fragte ich neugierig. »Sie waren nicht draußen, als wir ankamen, und Miss Salforth ist nicht ausgestiegen.«
    »Das war nicht schwer zu erraten. Sie ist die einzige, die sich mit ihrem Auto in den Ort wagt.«
    »Kommt sie oft hierher?«
    »Ziemlich oft.«
    »Was macht sie hier, wenn dieses Städtchen doch so verlassen ist?«
    »Fragen Sie sie, wenn Sie sie Wiedersehen.«
    Ich biss mir auf die Zunge. Ich hätte eine solche Frage nicht stellen dürfen. Rasch sprach ich von etwas anderem. »Ich habe gehört, dass das Weideland auf dem Plateau oberhalb von Guilclan sehr schön sein soll. Vor allem der Blick von dort.«
    »So sagt man, aber ich bin nie dort gewesen.«
    »Sind Sie denn nicht von hier?« fragte ich überrascht.
    »Doch. Ich bin hier geboren und nie fort gewesen.« Mrs. Gulls Gesicht war abweisend und verschlossen. Plötzlich lächelte sie jedoch wieder liebenswürdig und wechselte das Thema, bevor ich sie fragen konnte, weshalb sie nie oben auf dem Plateau gewesen war. »Sie haben mich gefragt, um welche Zeit gegessen wird. In
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