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004 - Geister im Moor

004 - Geister im Moor

Titel: 004 - Geister im Moor
Autoren: B.R. Bruss
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stimmte. So hatte ich es immer gehalten und war gut damit gefahren. Meinen letzten Roman Die gläserne Hand hatte ich in Frankreich geschrieben, in einem kleinen Dorf in der Bretagne, das voller »Atmosphäre« war. Eine entsprechende Atmosphäre regte mich immer zu guten Einfällen an.
    »Weißt du schon, wo du diesmal hingehst?« fragte Anthony.
    »Noch nicht.« Den idealen Ort zu finden, war gar nicht so einfach. Allzu bekannte Stätten, wo sich bereits blutige oder rätselhafte Ereignisse abgespielt hatten, mied ich, ebenso jene, die von Touristen überlaufen waren. Manchmal brachte mir eine Lektüre einen Hinweis, oft überließ ich es jedoch dem Zufall und besuchte eine Reihe von Städten und Dörfern, bis ich das fand, was mir vorschwebte. Dann blieb ich im Allgemeinen einige Monate dort, bis mein Buch beendet war. »Sag mal, du bist doch soviel herumgekommen, weißt du nicht etwas für mich?«
    Anthony überlegte einen Augenblick. »Ja, ich kenne vier oder fünf Fleckchen, die dir bestimmt gefallen würden – aber sie sind in Asien.«
    Ich lachte. »Das ist ein bisschen weit für mich. Ich bin noch nicht reich genug, um mir eine solche Reise leisten zu können. Weißt du nichts, dass etwas näher ist?«
    Er überlegte wieder. »Nun ja, Guilclan vielleicht.«
    »Guilclan? Nie gehört.«
    »Ja, das wäre das Richtige. Ein verlassenes Nest, schwer zugänglich. Es liegt in Schottland. Ich war letztes Jahr zwei Tage dort und habe mir von einem trinkfreudigen Arzt die Gegend zeigen lassen. Ein düsterer Ort, wie man ihn sich unheimlicher nicht wünschen kann, und um diese Jahreszeit müsste es noch düsterer dort sein. Ein kleiner Marktflecken, der bald aussterben wird. Viele Häuser stehen leer, und manche sind schon zu Ruinen zerfallen. Enge, gewundene Gassen, uralte Gemäuer und Menschen, die ein bisschen wie Schlafwandler wirken …«
    »Scheint genau das zu sein, was ich brauche!« rief ich fröhlich. »Aber kann man in so einem Ort überhaupt angenehm logieren?«
    Anthony lächelte. »Du findest eine Umgebung, die dir Schauder einflösst, zwar herrlich, aber du liebst auch deine Bequemlichkeit, du alter Pascha!«
    »Nein, nein«, wehrte ich ab. »So ist es nicht. Aber ich brauche wenigstens ein Minimum an Komfort. Das heißt, ein anständiges Zimmer, das auch geheizt werden kann, wenn es kalt ist.«
    »Das findest du alles bei Mrs. Gulliburbory. Ich habe ihren Namen behalten, weil er so lang und so eigentümlich ist. Die Leute nennen sie übrigens einfach Mrs. Gull. Sie ist die Besitzerin des einzigen Hotels am Platz. Es heißt »Der schwarze Kreis«. Man isst dort sehr viel Fisch – das regt das Gehirn an, wegen des Phosphorgehalts. Übrigens habe ich gehört, dass es oberhalb von Guilclan eine hübsche Ruine, gibt, aber ich selbst bin nicht dort gewesen, weil es ununterbrochen regnete. Ich habe im Ort mindestens sechs hinkende Männer, drei hinkende Frauen und einen einäugigen Trödler gesehen. Außerdem gibt es da einen verrückten Dichter, soweit ich gehört habe. Meine einzige Abwechslung waren die Mahlzeiten und ein paar Gläser Whisky mit dem trunksüchtigen Doktor, der sehr amüsant zu plaudern versteht. Aber wenn du dich zu sehr langweilst, kannst du während der Saison nachher jederzeit nach New Guilclan hinüberfahren, um dich zu amüsieren. Ein kleines Seebad, etwa sechs oder sieben Kilometer entfernt. Dort gibt es Cafés, mehrere Boutiquen, Restaurants, Hotels, ein Kasino, einen Golfplatz – und hübsche Mädchen am Strand. Dann kenne ich übrigens auch noch ein nettes Plätzchen in Holland …«
    »Nein«, sagte ich. »Guilclan gefällt mir, und ich habe mich bereits entschieden. Ich werde gleich meine Koffer packen.«
     

     

Die Reise nach Guilclan war lang und mühsam. Ich besaß damals noch kein Auto – ich beabsichtigte, mir von meinem nächsten Romanhonorar eines zu kaufen – und hatte daher den Zug genommen. Ich musste zweimal umsteigen und schließlich dreißig Kilometer in einem alten Autobus fahren, der mich dann in New Guilclan absetzte. Der Chauffeur informierte mich, dass nur in der Saison der neue Autobus bis zu dem Fischerdorf unterhalb von Guilclan fahre. Taxis gab es auch nur im Sommer. Auf meine Frage, wie ich dann nach Guilclan kommen könnte, zuckte er die Achseln und meinte, dienstags und samstags käme immer der Fischhändler zum Markt, und der könnte mich sicher mitnehmen. Heute war Montag, leider, aber morgen … Er selber, nein, er könnte mich nicht hinfahren.
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