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004 - Geister im Moor

004 - Geister im Moor

Titel: 004 - Geister im Moor
Autoren: B.R. Bruss
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einer halben Stunde gibt es Abendessen. Mögen Sie Fisch?«
    »Sehr.«
    »Um so besser. Wir essen nämlich oft Fisch. Der kleine Fischerort unterhalb von Guilclan versorgt uns täglich mit allem, was wir brauchen. Möchten Sie allein essen oder am großen Tisch mit meinen übrigen Gästen? Ich habe fünf Stammgäste. Drei von ihnen wohnen im Hotel, darunter auch der Arzt unserer Stadt.«
    »Ich würde gern mit ihnen zusammen essen.« Auf diese Weise konnte ich am schnellsten mit der Bevölkerung Kontakt aufnehmen.
    »Fein. Ich werde Sally mit heißem Wasser heraufschicken. Sie wird Ihnen auch Feuer machen.«
    Sie verschwand und bewegte sich erstaunlich rasch für ihre Fülle.
    Ich pfiff fröhlich vor mich hin, während ich mein Zimmer betrachtete. Ich war sehr zufrieden. Es fing alles recht gut an. Ich war überzeugt, in Guilclan die anregende »Atmosphäre« zu finden, die ich für meine Arbeit brauchte.
    Einige Minuten später klopfte es an meine Tür, und eine Frau undefinierbaren Alters mit flachsblonden Haaren und maskenhaft ausdruckslosem Gesicht trat ein. Sie ging ohne ein Wort durch das Zimmer und stellte einen Topf heißes Wasser auf die Waschkommode.
    »Sie sind Sally, nicht wahr?« fragte ich.
    Jetzt sah sie mich endlich an und stieß als Antwort ein Grunzen aus:. Dann, um mir zu zeigen, dass sie stumm war, riss sie weit ihren Mund auf. Entsetzt starrte ich sie an. Sie hatte keine Zunge. Als ich mich von meiner Überraschung erholt hatte, fragte ich sie: »Sind Sie auch taub?«
    Sie grunzte wieder und schüttelte verneinend den Kopf. Dann wandte sie mir den Rücken zu, um im Kamin Feuer zu machen.
    Ich weiß nicht, was mich dazu trieb, ihr diese Frage zu stellen, die doch eigentlich völlig harmlos war: »Sagen Sie, Sally, gehen Sie manchmal hinauf auf das Plateau oberhalb der Stadt?«
    Sie drehte sich erschrocken um und sah mich entsetzt an. Dann war sie mit zwei großen Sätzen aus meinem Zimmer, und ich hörte sie die Treppe hinunterlaufen. Und ich fand das großartig.
    Zwanzig Minuten später ging ich selbst hinunter und traf Mrs. Gull in der Halle. Sie hatte die Eingangstür geöffnet und blickte hinaus.
    »Es regnet nicht mehr«, sagte sie.
    Ich blickte ebenfalls hinaus. Tatsächlich, der Regen hatte aufgehört, aber der Nebel war noch ebenso dicht wie vorher. Und aus diesem Nebel tauchten drei unheimliche Gestalten auf – die drei hinkenden Frauen. Tock, tock, tock, schlugen ihre Stöcke auf das Pflaster. Sie gingen an uns vorbei, ohne uns anzusehen, und verschwanden langsam wieder im Nebel, dunkel, missgestaltet und geheimnisvoll.
    »Die drei Hinkebeine«, sagte die Hotelbesitzerin. »Sie beenden ihren Abendspaziergang. Zwei von ihnen sind blind. Nur die Zwergin kann sehen, und sie kann mehr sehen, als Sie … oder ich …«
    »Was wollen Sie damit sagen?« fragte ich.
    »Oh, ich sage nur, wie’s ist … Aber das Essen ist fertig, und man wartet nur noch auf Sie. Ich muss schnell in die Küche zurück.«
    Ich betrat das Speisezimmer. Es war ein großer Raum mit niedriger Decke und geschwärzten Balken. Wie in der Halle, war auch hier der Boden mit Fliesen ausgelegt. An den Wänden hingen Kupferformen und einige Fayencen. Es gab etwa zehn Tische im Raum. Der Tisch in der Mitte war der größte und offenbar auch der bedeutendste. Drei Männer saßen bereits, zwei weitere standen vor einem kleinen Büfett und hielten Gläser in den Händen.
    Einer der beiden war zweifellos der trunksüchtige Arzt: ein untersetzter, lustiger Bursche in Stiefeln, Reithose und pelzbesetzter Tweedjacke. Sein flächiges, leicht gerötetes Gesicht wurde eingerahmt von einem ganz kurz gehaltenen, graumelierten Bart. Er mochte etwa fünfzig Jahre alt sein.
    Er kam sofort auf mich zu. »Ah, das ist also unser neuer Gast! Kommen Sie, junger Mann. Trinken Sie ein Gläschen zum Willkommen mit uns!« Dann stellte er sich vor, während er mich persönlich mit einem Glas Gin bediente. »Ich bin Dr. Anton Arnold. Ich hoffe, Sie werden nie meine Dienste benötigen. Und das ist mein alter Freund Peter Gilcross, Antiquitätenhändler.«
    Ich drückte dem einäugigen Antiquitätenhändler die Hand. Er war auch um die Fünfzig, aber klein, schmächtig, mit schütterem grauem Haar, langer Nase, langem Gesicht und langen Händen. Das musste der einäugige Trödler sein, von dem Anthony gesprochen hatte und den der Doktor nun so pompös als Antiquitätenhändler bezeichnete. Er kam mir ziemlich unbedeutend vor. Aber sein eines Auge hatte
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