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0039 - Turm der Verlorenen

0039 - Turm der Verlorenen

Titel: 0039 - Turm der Verlorenen
Autoren: Michael Kubiak
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Finger erfühlten rauen Stein – und dann einen länglichen Gegenstand. Er fühlte sich warm an, und Zamorra vermutete in dem Material Holz.
    Er tastete weiter über den Gegenstand hinweg und traf auf eine glatte Fläche mit einer ganz unregelmäßigen Struktur. Die Fläche gab insgesamt leicht nach.
    Und dann geschah das Unglaubliche!
    Unter seinen Händen entstand ein Leuchten, das aus einer anderen Welt zu kommen schien. Eine rechteckige Fläche begann zu flimmern und ein geheimnisvolles Licht auszusenden.
    Zamorra zuckte zurück. Und aus der Entfernung erkannte er, was er berührt und zum Leben erweckt hatte.
    Es war ein Bild, ein Gemälde mit der Darstellung eines alten Mannes. Zamorra war sicher, dass er den Greis schon einmal irgendwo gesehen hatte. Dieses Gesicht mit den buschigen Brauen, der gefurchten Stirn und den eingefallenen Wangen.
    Und da fiel es ihm wieder ein.
    Das war der Wirt unten aus dem Dorfgasthaus, der ihm von seiner Tochter hatte sein Zimmer zeigen lassen. Und dieses Gesicht hatte er auch kurz vorher gesehen, als er durch den Gang geeilt war und das Gesicht, zur Fratze verzerrt, auf ihn zugerast war.
    Zamorra wollte es nicht glauben. Unwillkürlich rieb er sich die Augen. Doch das Unfassbare blieb.
    Vor ihm an der Wand leuchtete aus einem blind gewordenen Goldrahmen das Gesicht eines Mannes entgegen, der nicht aus dieser Zeit, der Gegenwart, stammen konnte.
    Und im Schimmer des Lichtes konnte Zamorra weitere Einzelheiten in dem Raum erkennen, in den ihn der Zufall verschlagen hatte.
    Ringsum an den Wänden hingen noch weitere Bilder!
    Eine innere Stimme trieb den Professor dazu, zu diesen Bildern hinzugehen und sie zu berühren. Bei allen berührte er den Rahmen und strich über die Leinwand.
    Und bei allen Bildern trat das gleiche ein wie bei dem ersten Bild.
    Sie begannen zu schimmern, kaum wahrnehmbar erst, und entwickelten dann ein Leuchten das mit jedem weiteren Bild so hell wurde, dass es fast schmerzte.
    Auf allen Bildern sah man Darstellungen alter Menschen. Sie hatten alle etwas gemein: Sie sahen unermesslich weise aus, und in ihren Gesichtern stand eine Güte und Freundlichkeit, wie man sie in der heutigen Zeit kaum noch antreffen kann.
    Die Gesichter schienen ein Eigenleben entwickeln zu können. Sie verzogen sich, zeigten ein reiches Mienenspiel und verwirrten den Professor zutiefst. Man schien ihn anzulächeln, schien ihm Mut zusprechen zu wollen und zwinkerte ihm zu. Auch sah er in den Gesichtern, deren Augen ihn musterten, so etwas wie Mutlosigkeit aufflackern.
    Sonderbarerweise erfüllte ihn das mit tiefer Niedergeschlagenheit.
    Er wusste selbst nicht warum, doch er verlor allen Mut und alle Hoffnung auf einen guten Ausgang dieses gespenstischen Abenteuers. Unwillkürlich fragte Zamorra sich nach der Herkunft der Bilder, doch die würde ihm wohl für immer verborgen bleiben. Er war hier der Eindringling, und wenn er jemals wieder aus diesem Verlies herauskommen sollte, dann wollte er diese Beobachtung für sich behalten, weil er zu Recht ahnte, dass ein Bekanntwerden der Beobachtungen dem Ort hier die Ruhe rauben würde.
    Und die wollte er den hier Weilenden erhalten, ganz gleich, woher sie kamen und warum sie hier ihr Unwesen trieben.
    Zamorra wollte schon weiter nach einem Fluchtweg suchen, da geschah etwas, womit er in diesem Moment nicht gerechnet hätte.
    Eine kalte Stimme drang an seine Ohren, und Zamorra hatte das Gefühl, das Blut würde ihm in den Adern gefrieren…
    ***
    »Ich sehe, Sie haben unser kleines Geheimnis entdeckt.«
    Es war eine männliche Stimme, die vor Hohn troff. Auch klang sie leicht amüsiert, so als hätte der Sprecher eine besondere Freude an Zamorras Ratlosigkeit.
    »Man nennt Sie zwar den Meister des Übersinnlichen, auch beschäftigen Sie sich intensiv mit den mannigfaltigen Erscheinungen, denen Sie in Ihrer Zeit begegnen, doch seien Sie sicher – hier haben Sie Ihren Meister gefunden, die wahren Meister des Übersinnlichen!« Die letzten Worte waren fast ein wütender Aufschrei gewesen.
    Zamorra wandte sich langsam um. Vor der Tür, die er vorhin noch abgetastet hatte, stand eine männliche Gestalt. Sie hob sich als scharf umrissene Silhouette gegen das helle Rechteck der Türöffnung ab.
    Genau in Höhe der Seitenpfosten entdeckte Zamorra auf dem Steinboden einen Spalt. Es war eine Tür, die ähnlich geöffnet werden konnte wie ein Fallgitter. Jetzt verstand er auch, warum er bei seinen Nachforschungen keinen Spalt vorgefunden hatte.
    Die
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